Wort zum Tage
Gemeinfrei via Unsplash/ Aaron Burden
Gott ausprobieren
von Vikarin Sabrina Fabian
09.08.2023 06:20
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Gott hat die Probe nicht bestanden. Als Mahmud Darwisch miterlebte, wie 1982 Bomben auf Beirut fielen, konnte er Gott nicht mehr finden. Also beendete der Dichter sein Gespräch mit Gott. Darwisch hat Gott ausprobiert und ihm ein Ungenügend ausgestellt – Gott ist durchgefallen. Von da an war die Poesie sein Kanal, um mit dem Leid in der Welt umzugehen. So wurde er zu dem Dichter seiner Nation. Heute vor 15 Jahren ist die „Stimme Palästinas“ gestorben.

Als er sechs Jahre alt war, floh Mahmud Darwisch mit seinen Eltern aus einem galiläischen Dorf in den Libanon. Schließlich kehrte die Familie als Geflüchtete nach Israel und Palästina zurück. Darwisch lernte in der Schule die hebräische Sprache. Der Muslim, der zuhause Arabisch sprach, las die Bibel auf Hebräisch. Geschichten und Motive biblischer Texte zogen in sein Werk ein. Genauso wie der Gott, den Darwisch herausforderte:

Beirut ist der Test Gottes,“ schrieb Darwisch 1982.

„wir haben dich ausprobiert, o Gott, wir haben dich ausprobiert

wer gab Dir dieses Rätsel, wer gab Dir den Namen?

Wer hat Dich über unsere Wunden erhoben, damit er Dich sieht?

So zeig Dich! Wie sich die Sphinx aus der Asche zeigt …“

So lauten Darwischs Worte zum zerstörten Beirut. Darwisch verabschiedet sich von Gott. Das ist sein Weg, um mit dem Leid, der Gewalt und den Ungerechtigkeiten in der Welt umzugehen.

Hiob, der Prototyp des Leidenden in der Bibel, findet einen anderen:

Hiob verliert an einem Tag alles, was ihm lieb und teuer ist an Räuber und Naturkatastrophen: all sein Vieh, seine drei Söhne und drei Töchter. Hiob leidet unter diesen Verlusten, zerreißt seine Kleider und er bleibt an Gott dran. Zuerst lobt er Gott sogar: „Nackt kam ich aus dem Leib meiner Mutter, und nackt gehe ich wieder aus dem Leben dahin. Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. Der Name des Herrn sei gelobt!“ (Hiob 1,21) Das Schrecklichste zu erfahren, hält ihn nicht davon ab, Gott zu rühmen. Als sein Leidensweg weitergeht, klagt Hiob Gott an. Er bleibt dran, wendet sich nicht ab. Er probiert Gott weiter; und Gott besteht.

Zwei Männer, die Leid erfahren, zwei Männer, die Gott ausprobieren und zwei grundverschiedene Konsequenzen, die sie aus ihren Erfahrungen ziehen: der eine bleibt dran, der andere verabschiedet sich. Der eine bleibt in Beziehung und im Gebet, der andere geht heraus und wird Atheist. Ihre gemeinsame Botschaft für mich: Wer leidet, kann Gott ausprobieren. Ich verstehe das als Versprechen.

Es gilt das gesprochene Wort.

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