Wort zum Tage
In wessen Spur
05.03.2015 05:23

Es geht nicht darum, in den Spuren der Anderen zu gehen. So ähnlich wirbt ein Sportunternehmen für seine Produkte. Mag sein, dass gerade der Sport diejenigen braucht, die raustreten aus den Spuren der Anderen und zu eigenen Traumleistungen durchstarten. Alles, nur kein Durchschnitt!

 

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Das ist ein motivierender Gedanke für die Langstrecke oder die Abfahrt. Nur, was passiert, wenn sich auf den Feldern des Alltags genau dieses Diktat fortsetzt: Raus aus der Spur der anderen! Steh‘ nicht im Schatten. Halt‘ nicht still! Es könnte dir als Nachgiebigkeit und als Durchschnittlichkeit angekreidet werden. Für sich, seine Interessen und sein Image sorgen, das müsse man schon selbst tun, denn das tue kein anderer – so lesen sich unzählige Ratschläge (in dieser Hinsicht).

 

Raus also aus der Spur der Anderen. Völlig quer dazu steht der christliche Anspruch, in die Spur Jesu reinzugehen und ihr zu folgen. Dabei soll der Christ möglichst nicht das Außergewöhnliche wollen, sondern schlicht den, der ihm vorangeht: Jesus selbst also, ein Mensch, menschlich und göttlich gleichermaßen, nicht abstrakt und fern als Prinzip, sondern göttlich als einer, der sich auf mich einlassen will. Eigenartig.

 

Auf der einen Seite – so lesen wir es in der Bergpredigt – sagt dieser Jesus zu seinen Zuhörern: Lasst euer unverwechselbares Licht vor den Leuten leuchten! Auf der anderen Seite sagt er: Hütet euch! Stellt nicht vor den Menschen zur Schau, was für ein außergewöhnliches Leben ihr führt. Beides gehört zusammen. Die am hellsten leuchten, sind die, die am wenigsten darauf abzielen. Sie lassen ihr Licht leuchten, um es anderen hell zu machen und bringen es fertig, die wenigste Sorge auf sich und ihre Pläne zu verwenden. Sie fragen nicht ständig danach, was ihre Besonderheit ist, ihre Unverwechselbarkeit. Deshalb können sie auch gelassen Dinge sein lassen, wenn es sein muss, sich auch mal etwas durch die Lappen gehen lassen, nachgiebig sein ohne schwammig zu werden. Das ist möglich, menschenmöglich!

 

In der Spur will ich tatsächlich gern gehen. Und vielleicht ist Nachgiebigkeit mit Haltung einer unserer menschlichsten Züge. Ein alter Mönch hat mal denen nach ihm ins Herz gelegt: „Welches Ziel Sie auch immer verfolgen, welche Pläne Sie auch immer fassen, seien Sie gewiss. Gott wird sie durchkreuzen.“* Was auch immer ich durchdrücken, für mich gewinnen oder abräumen wollte… Alles Losgelassene bietet die Chance, freier zu werden – und nicht zu verbittern. Ja, Gott durchkreuzt mein Planen gerade da, wo ich meine, jede Spur selbst finden zu müssen. Und ich merke: Er zieht die beste Spur.

 

 

(*T. Radcliffe, warum Christsein. Wie der Glaube unser Leben verändert, Herder, 2012, S. 46)

Sendungen von Pröpstin Christina-Maria Bammel