Wort zum Tage
In der Dunkelheit auf dem Weg
11.12.2015 05:23

Wenn die Eifrigkeit des Tages noch ruht in der Stille der Dunkelheit; dann ist es kaum möglich, den Nachtgedanken auszuweichen. Sie sitzen einem auf der Bettdecke und machen sich breit. Am Tag sind wir die Diener des Dringenden, beantworten die mails, halten das Telefon griffbereit,  haben Termine im Kopf. Wenn das Licht aus ist, findet mich  die Dunkelheit. Die Gedanken bleiern und kreisend; dann hilft es manchmal, einen Zettel neben dem Bett zu haben. Am Morgen lese ich dann auf einem solchen Zettel zum Beispiel: Zahnarzttermin, Hausaufgaben kontrollieren Ausrufezeichen, Anmeldungen fertigmachen  drei Ausrufezeichen… und auch mal ein Fragezeichen. Die Dunkelheit der Nacht führt mich zu den Dunkelheiten der eigenen Seele. Dem etwas entgegen setzen, gelingt manchmal, wenn ich nachts den Bademantel finde und den Weg nach draußen schaffe, auf den Balkon. Dann sehe ich ein paar Ausschnitte vom Nachthimmel. Sie lösen nichts auf, aber sie erinnern mich an meinen Platz im Universum. Die Sterne entdecken, die schon Menschengeschwister vor mir sahen, als Fernrohre noch nicht entdeckt, als Esel und Kamel das Mittel zum Reisen waren. Ich stehe in einer Linie mit Himmelsbeobachtern vor mir.  Lange vor meiner Zeit hatten sie schon die Idee,  , aus bestimmten Licht-Konstellationen Namen werden zu lassen. Die orientieren mich noch heute, wenn ich den großen Wagen suche zum Beispiel. „Alles Licht ist spät“, schreibt ein Poet und erinnert mich daran, wie lange das Licht schon zu mir unterwegs ist. Wenn sich der Nachthimmel dagegen zeigt wie eine dunkle, lichtlos dichte Decke, ahne ich: Auch  diese Dunkelheit gehört zu uns, zu dieser Welt. Sie gehört sogar zu Gott. „Ich mache das Licht und schaffe die Dunkelheit“, lässt Gott sagen. Ein Mann lag in der Dunkelheit seines Zeltes. Stolz könnte er sein auf alles, was er geschaffen hat. Aber am Ende steht er doch mit leeren Händen da. Dem Patriarchen fehlen die Kinder! Was wird bleiben? Jedenfalls keine Familie. Wozu das alles. Wohin führt das? Doch Gott zeigt sich nicht, wird nicht zur überwältigenden Lichterscheinung oder  Engelsgestalt. Gott ist nur zu hören und sagt: Nicht in der Furcht liegt die Hoffnung, sondern im Aufbruch. Und Abraham versteht. Die Sterne reden nicht. Aber sie geben den Raum, um Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Die Sterne reden nicht, Gott redet. Zu hören ist der Anfang vom Glauben: Wer glaubt, setzt erste Schritte mit abnehmender Furcht. Glauben ist nicht die Sicherheit, dass alles hell wird, aber ich lerne, dass schon andere vor mir durch die Dunkelheit gingen; und Gott war zu hören.

Sendungen von Pröpstin Christina-Maria Bammel