Mediziner, Musiker, Mensch!
von Pröpstin Christina-Maria Bammel
01.06.2024 06:20
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Ein Tropenhelm, ein Schnauzbart, ein Urwaldhospital in Lambarene. Und die meisten Menschen wissen, wer gemeint ist. Albert Schweitzer. Die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer erinnern heute besonders an ihn, denn der 1. Juni ist einer der beiden Weltkindertage.  Und Albert Schweitzer inspiriert nach wie vor viele Kinder und Jugendliche. Auch fast 60 Jahre nach seinem Tod.

Er war Arzt, Prediger, begnadeter Orgelspieler, begabter Organisator und Fundraiser, würde man heute sagen. Und nicht zu vergessen: hartnäckiger Atomwaffengegner des 20. Jahrhunderts. Ein hoffnungsstarker Menschenfreund durch und durch. Selbst zwei Weltkriege und ein kalter Krieg konnten ihm diese Hoffnungskraft nicht austreiben.

Seine feste Überzeugung hat ihn auch zu Einsichten über die Ehrfurcht vor allem Leben geführt.

Schweitzer schreibt: "Wie die Hausfrau, die die Stube gescheuert hat, Sorge trägt, daß die Tür zu ist, damit ja der Hund nicht hereinkomme und das getane Werk durch die Spuren seiner Pfoten entstelle, [al]so wachen die europäischen Denker darüber, daß ihnen keine Tiere in der Ethik herumlaufen." (1)

Schweitzers Irritation über eine Ethik, die die Tiere ausgesperrt hat, zieht eine Spur bis heute. Es war wohl ein Erlebnis 1915, das ihn auf den Begriff von der Ehrfurcht vor dem Leben brachte. Albert Schweitzer befindet sich auf einer Flussfahrt in Afrika. Da sieht er die Tiere am Fluss und sich selbst als einen Teil dieses Lebens. Später formuliert er das so: "Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will."   

Das ist nicht ganz unproblematisch, wenn man sich trotz der schönen Seiten der Schöpfung auch ihre Härten vor Augen führt. Lebewesen zerstören Lebewesen, um selbst zu leben. Und doch gibt es eine geheimnisvolle innere Verbundenheit aller Geschöpfe.

Schweitzer hat daran festgehalten: Diese Verbundenheit hat ethische Konsequenzen. Die Tiere ins Haus der Ethik einziehen lassen – und das nicht nur, weil Tiere Hinweise auf Bewusstsein haben, weil sie auch trauern, Schmerzen leiden und damit umgehen. Längst hat da die Wissenschaft alte Denkmuster aufgeräumt.

Wir Menschen sind erst auf dem Weg, uns in der Verbindung mit allen Geschöpfen zu verstehen, wie nah oder fern sie uns auch seien, und dementsprechend zu handeln. Es gibt noch viel zu tun, bis wir eine Gemeinschaft werden, die nicht verdunkelt ist durch Verbrauch und Töten. Sondern eine Gemeinschaft, die auf Respekt, eine neue Lebendigkeit setzt. Wir sind Teil einer großen Familie aus einer Schöpferkraft. Eine Kraft, die das Antlitz dieser Erde neu werden lassen kann.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literaturangaben:

(1) Schweitzer, Albert: Kultur und Ethik (1923); in: ders., Ausgewählte Werke in fünf Bänden. Band 2, Berlin: Union Verlag 1971, 362f.

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