In den Dörfern Nepals versuchen Frauen, einen Konflikt der Vergangenheit zu überwinden.
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Als ich Anfang der 80er Jahre für die deutschsprachige evangelische Gemeinde in Nepal gearbeitet habe, erzählten mir Entwicklungshelfer, die sich im Land auskannten: Es brodelt. Besonders in den abgelegenen Gebieten waren die Menschen nicht mehr bereit, das feudalistisch wirkende Kastensystem hinzunehmen.
Der kommunistische Maoismus, der auch in Nepal stark war, hatte seinen Glanz verloren, nachdem die Verbrechen der Kulturrevolution öffentlich geworden waren. Trotzdem erschien vielen in Nepal die Vorstellung reizvoll, dass die alten Strukturen einfach weggefegt werden müssen. Frauen, die einen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft forderten, Tagelöhner und Kleinbauern probten den Aufstand. Da die Forderungen der nepalischen Maoisten kein Gehör fanden, griffen sie zu den Waffen.
Die Folgen waren furchtbar. In den Dörfern litten die Menschen unter den Rebellen genauso wie unter den Soldaten des Königs. Beide Seiten kamen und gingen, und immer forderten sie Loyalität und suchten nach Kollaborateuren. So ging irgendwann ein Riss durch die Dörfer.
Inzwischen sind die Kämpfe beigelegt. Im Parlament finden sich die ehemaligen Kontrahenten wieder und schließen Abkommen zum gegenseitigen Vorteil. Die Menschen in den Dörfern leben weiter Tür an Tür und müssen sehen, wie sie mit den Verbrechen der Vergangenheit zurechtkommen.
Bei meiner Nepalreise in diesem Frühjahr habe ich Frauen kennengelernt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die entstandene Kluft zu überwinden. Der Streit, wer letztlich die Schuld an dem brutalen Konflikt trägt und wessen Wahrheit gilt, erwies sich als Sackgasse.
Die Frauen setzen damit an, dass sie einfach anerkennen: Es gibt Opfer auf allen Seiten. Alle, die gelitten haben, verdienen es, gewürdigt zu werden. Niemandem wird seine Trauer abgesprochen. Ganz am Anfang des Versöhnungsprozesses steht: wissen wollen, was ist.
Und dann geht es darum, angesichts der erlitten Schäden Hilfe zum Leben zu organisieren. Verwitweten Frauen muss geholfen werden, verwaiste Kinder brauchen Unterstützung.
Der dritte Schritt besteht darin, Vorsorge zu treffen für ein: Nie wieder! Was hat das Dorf in die Konfrontation getrieben? Wie kann man verhindern, dass das Gespräch untereinander wieder abreißt und man sich zu Feinden machen lässt, ohne es zu wollen.
Am Ende geht es auch darum, dass die Täter Verantwortung übernehmen. Erst wenn Vertrauen gewachsen ist, erst wenn die Taten nicht mehr mit den Tätern gleichgesetzt werden, kann das gelingen.
Es gilt das gesprochene Wort.