Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ Carrie Beth Williams
Ein schwieriges Mutter-Sohn-Verhältnis
Morgenandacht von Pfarrer Jörg Machel
11.05.2024 06:35

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Kein einfaches Kind, dieser Jesus. Nicht einfach für Maria, die Mutter dieses Kindes zu sein. Schon die Schwangerschaft war angstbesetzt. Was geschieht mir?, so fragte sie sich. Gern wird diese Verwunderung an den Umständen ihrer Schwangerschaft festgemacht. Dass ein Engel ihr angekündigt, dass sie schwanger werden wird mit dem Sohn Gottes. Das entrückt Maria und ihre Situation in eine gewisse Ferne. Dabei sind die ersten Zeichen einer Schwangerschaft doch für jede Frau ein elementarer Einschnitt in ihr Leben, den es erst einmal zu verarbeiten gilt.

Es bleibt geheimnisvoll: über seiner Krippe in Bethlehem ein Stern, Hirten, von Engeln geschickt, Weise aus dem Morgenland, die ihm huldigen – ein außergewöhnlicher Mensch also, den Maria da geboren hat. Jesus der Gottessohn!

Und dann malt der Künstler Max Ernst dieses provokante Gemälde: „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen“. Im Jahre 1926 wurde es in Paris gezeigt und löste einen Skandal aus. Das ist Blasphemie, Gotteslästerung, so empörten sich die Leute. Gläubige aller Konfessionen fühlten sich persönlich beleidigt durch dieses Gemälde.

Mich fordert das Bild heraus, mein inneres Bild von Maria und dem Jesusknaben zu überdenken. Die klassischen Gemälde, die oft mit „die Jungfrau mit dem Kinde“ betitelt sind, stellen ein romantisches Bild der Mutterschaft dar. Liebevoll schaut die Mutter auf das Kind und der Knabe blickt selbstbewusst auf den Betrachter, so als wolle er sagen, ich kenne meine Mission. Eine Weile noch, dann werde ich aufstehen und meinen Weg gehen.

Max Ernst holt die Beziehung zwischen Maria und Jesus in die Mitte der Gesellschaft. „Wer sein Kind liebt, züchtigt es beizeiten.“ (Sprüche 13,24; Hebräer 12,6) Dieser fragwürdige Satz aus dem Alten und Neuen Testament galt als eine biblische Weisheit, die nicht hinterfragt wurde. Statt der Heiligen drei Könige blicken drei Beobachter auf die Szenerie. Sie huldigen nicht, sondern wohnen mit kaltem Blick einer Züchtigung bei, werden damit zu Zeugen der Demontage aller frommen Verklärungen der Jesusgeschichte.

Die Entmythologisierung des Verhältnisses zwischen Jesus und Maria hat allerdings bereits in den Evangelien ihren Ursprung. Jesus verhält sich distanziert zu seiner Mutter und zu seiner Familie. Nicht ihnen ist er nahe, sondern denen, die den Willen Gottes tun, so blafft er sie gelegentlich an.

Jesus war um die 30 Jahre, als er öffentlich wirksam wurde. In einem Alter, in welchem mir meine Familie ziemlich fern war. Ich musste meinen eigenen Weg gehen und die Bedenken und Ratschläge von zuhause waren mir eher lästig als hilfreich. Es gab keinen Streit, aber wir waren einander ziemlich fern. Das änderte sich. Mit meiner Heirat, mit der Geburt unserer Tochter rückten wir wieder eng zusammen. Ich begann, anders auf meine Kindheit und Jugend zu schauen. Die Bedenken meiner Eltern über meine Lebenswege und Umwege fand ich nicht mehr ganz so absurd wie früher.

Auch daran muss ich bei dem Bild von Max Ernst denken: Wie mag Maria auf ihren Sohn geblickt haben, als er sehenden Auges in seinen Tod ging? Wie mag sie sich gefühlt haben, als er sie kalt abwies, wo sie sich doch um ihn sorgte? Es ist tragisch, dass ihnen diese Zeit der Reifung des Verhältnisses zwischen Mutter und Sohn nicht blieb. Jesus starb zu früh für diese Beziehung, so empfinde ich es.

Morgen ist Muttertag, eine gute Gelegenheit für einen freundlichen Blick auf das, was uns verbindet, und für einen Blumenstrauß, vielleicht.

Es gilt das gesprochene Wort.