„Träume sind nicht das, was du im Schlaf siehst, sondern sie sind das, was dich nicht schlafen lässt.“ So hat es mal Indiens Präsident Abdul Kalam gesagt. In biblischen Geschichten wird oft davon erzählt, wie – nein nicht Präsidenten - , sondern Propheten träumen und dabei regelrecht um den Schlaf gebracht werden. Sie sehen, irgendwo auf der Schwelle zwischen Nacht und Tag, manchmal glasklar Zusammenhänge, manchmal Erschreckendes. Sie träumen Szenen, die sich kaum in Worte geschweige denn in Übersetzungen fassen lassen. Kein Wunder, dass da der eine oder andere schweißgebadet und erschöpft dem Morgen entgegensieht. Träume sind das, was dich nicht schlafen, nicht zur Ruhe kommen lässt. Träume können sein, was dich in Bewegung bringt. So geht es dem Propheten Hesekiel. Ein Mann aus Israel. Das Trauma des verlorenen Landes trägt er in sich. Der Blick in die Vergangenheit schmerzt unsäglich, aber er mischt sich mit einem träumenden Blick nach vorn. Hesekiel ist kein Träumer, noch nicht einmal so etwas wie ein unverbesserlicher Optimist. Er ist mehr eine Art Hoffnungsträger, trägt die Hoffnung in sich. Worauf kann man noch hoffen in so einer Situation: Seine Heimat ist weg, die Falschen haben die Macht, die nämlich, die von kleinlichem Ehrgeiz und Kalkül zerfressen sind. Keine Perspektiven für die nächste Generation. Die Masse der Menschen fühlt sich machtlos. Hesekiel berichtet, wie ihm im Traum mitgeteilt wird, dass sich Gott selbst um die Verlierer der Geschichte kümmern wird, um alle, die unter die Räder der Geschichte gekommen sind. Der Prophet soll bekanntmachen, Gott will höchstpersönlich nach seiner „Herde“ sehen. Wie ein guter Hirte, mit ganzem Einsatz und aller Kraft. Klingt nach einem heißen Wahlversprechen, das verpufft wie der überreife Bovist im Herbst? Viele wissen: Will ich richtig leiten, schaue ich selbst nach allen, für die ich verantwortlich bin. Das delegiere ich mir nicht einfach vom Halse. Ich kümmere mich, ich sehe hin, ich gebe etwas. Nun sind wir nicht alle in Führungspositionen. Wir haben keine Macht, gar keinen Einfluss. Denken wir. Aber: wir haben Einfluss. Ja, Wir „beeinflussen“ andere Menschen, unsere Nachbarn, Freunde, die Kolleginnen, wir wirken auf sie – manchmal mehr als uns bewusst ist – zum Besseren und zum Schlechteren. Wir beeinflussen andere - ob wir nun zynische Bemerkungen auf den Lippen haben oder diese kleinen freundlichen Gesten zeigen, die keine Geschichte schreiben, aber aufatmen lassen. Wir beeinflussen mit Blicken, Worten und Haltungen. Machtlos sind wir jedenfalls nicht, niemand von uns. Der Prophet hat etwas von Gottes Macht verstanden und weitergegeben: hier ist das Geben gefragt, das Hinsehen und sich Kümmern.
Ein Traum von Führung