Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ Libby Penner
Alle warten auf dich
Morgenandacht von Holger Treutmann
01.10.2022 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

„Alle warten schon auf dich!“ Endlich hat sich der Gastgeber losgerissen und kommt nach vorn. Den Gästen tropft bereits der Zahn. Im Nachbarraum biegen sich die Tische.
Es sei ein besonderer Tag heute. So beginnt er die Rede, die eigentlich kurz ausfallen soll. Ein Rückblick auf 40 Jahre Firmengeschichte im Familienunternehmen. Heute der Einzug in die neuen Gebäude nach dem Umbau. Es zieht sich, auch wenn er Recht hat. Es war tatsächlich ein Kampf am Anfang. Entbehrungen, die sich heute kaum noch jemand vorstellen kann. Die Firmenphilosophie, die schon vom Großvater geprägt war  - wenige Leitsätze, die aber Grundlage für den Erfolg gewesen seien. Die Zeiten, wo sie kurz vor dem Aufgeben waren. Er spricht von einer Prüfung, die nicht vergeblich war, sonst stünden sie heute nicht da, wo sie stehen.

Man mag solche Reden mögen oder nicht. Sie bremsen für einen Augenblick die Feierlaune. Sie rufen zur Besinnung.
Die Bibel überliefert eine auch etwas zu lang geratene Rede des Mose. Er hält sie vor dem Einzug der Israeliten in das gelobte Land. 40 Jahre Wüstenwanderung lagen hinter dem befreiten Gottesvolk. Ein langer Weg mit Murren, Entbehrungen, aber auch wunderbaren Erfahrungen. Proviant, der unverhofft da war. Wasser, das aus dem Felsen quoll, ehe alle verdursteten. Eine Gottesgabe. Das ruft Mose in Erinnerung, während seinem Volk wohl schon der Zahn tropft, als er beschreibt, was kommen soll. Auen, denen es nie an Wasser fehlt; Weizen, Gerste, Weinstöcke und Feigenbäume, Öl, Milch und Honig. Steine, aus denen Erz gewonnen werden kann. Reichtum, der nicht erkämpft, sondern ohne große Mühe genutzt werden kann.

Im Grunde eine Beschreibung dessen, wie es mir heute geht. 40 Jahre und länger konnte ich leben wie im gelobten Land. Es ging fast immer aufwärts mit Wirtschaft und Entwicklung. Es war kein Weg durch die Wüste. Vielmehr quält mich mein Gewissen oft, wenn im Müll ganze Brote oder gefüllte Umverpackungen von Lebensmitteln landen.

Morgen ist Erntedankfest. Warum eigentlich nicht den Tag heute schon mit einem schönen Buffet beginnen? Ein Lunch im Familienkreis mit einer kurzen Besinnung auf das, was im letzten Jahr geerntet wurde. In den Kirchen  werden die Früchte des Feldes gesammelt. Tische biegen sich vor dem Altar, besonders im ländlichen Raum, wo tatsächlich die größten und schönsten Erntegaben für den Erntedank zum Gottesdienst in die Kirchen getragen werden.

Wofür ich dankbar bin? Die Verlängerung des Arbeitsvertrages, das Wochenende, eine besondere Anschaffung, die freien Tage im Urlaub, die langwierige Behandlung beim Zahnarzt, die endlich beendet werden konnte.

Und jetzt? Ich glaube, wir stehen an der Schwelle in ein neues Land. Ein Land, in dem wir Tugenden brauchen, die bisher weniger nötig waren: Gottvertrauen. Leben mit Weniger, ohne sich von den Sorgen mürbe machen zu lassen. Werte, Gebote und Leitsätze, die in schwierigen Zeiten Zusammenhalt ermöglichen. Die schlichte Bitte um das tägliche Brot.

Wenn du nun gegessen hast und satt bist, so heißt es im 5. Buch Mose:
Du könntest sagen in deinem Herzen:
Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Reichtum gewonnen.
Doch überhebe dich nicht, sondern gedenke an den Herrn, deinen Gott, denn er ist’s, der dir Kräfte gibt, Reichtum zu gewinnen, so wie es heute ist. (5. Mose 8, 17f)

Aller Augen warten auf dich, Herr, denn du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit; du tust deine milde Hand auf und sättigest alles, was da lebt mit Wohlgefallen. (Psalm 145, 15f)

Das soll mein Gebet bleiben. Gerade auch dann, wenn ich nicht weiß, ob der Überfluss heute auch morgen noch zur Verfügung steht.

 

Es gilt das gesprochene Wort.