Morgenandacht
Gemeinfrei via Unsplash/ Thomas Bormans
Etwas Neues im Osten
Morgenandacht von Pfarrer Holger Treutmann
22.06.2023 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Was geschehen ist, wird wieder geschehen,

was man getan hat, wird man wieder tun:

Es gibt nichts Neues unter der Sonne. (Koh. 1,9f.)

So heißt es in einem Weisheitsbuch der Bibel.

Resignation macht sich breit, wenn man das erste Kapitel des Buches Kohelet liest.

Resignation machte sich breit, als vor hundert Jahren Inflation, Krieg und Kriegsgefahr die Krise der Demokratie begleiteten…  

Das, was vor hundert Jahren geschehen ist, ist nicht dasselbe wie das, was Menschen heute erleben – und doch lassen sich Ähnlichkeiten ausmachen. Und wer Geschichte in groben Zügen betrachtet, kann zu der Überzeugung kommen:

Es gibt nichts Neues unter der Sonne.

 Im Westen nichts Neues.

Erich Maria Remarque wurde heute vor 125 Jahren geboren. Sein Roman über das sinnlose Sterben an der Front im 1. Weltkrieg ist zum dritten Mal verfilmt worden. Mehrere Oscars in Los Angeles. Sicher auch, weil der Krieg in der Ukraine die Schlagzeilen der Welt bestimmt.

Der Titel ist zynisch: Im Westen nichts Neues.

Nachdem junge Männer gleich nach der Schule mit Enthusiasmus in den Krieg gezogen sind, offenbart sich ihnen das Grauen von Tag zu Tag. Der Film zeigt, wie liebenswürdige Menschen aus Angst vor der eigenen Vernichtung und durch anonyme maschinelle Kriegsführung selbst zu gefühlskalten Killern werden. Der Krieg stockt im Schützengraben. Von den jungen Männern aus der Schulklasse überleben nur wenige.  Bis  zum Schluss nur noch Paul Bäumer da ist: kurz vor dem Inkrafttreten des Waffenstillstands mit den Franzosen verliert er durch einen Kopfschuss doch noch sein Leben.

Die Notiz im Kriegsbericht: Im Westen nichts Neues.

Kein Landgewinn, aber Tausende Tote. Und verletzte Körper und ein Leben lang verwundete Seelen, bei denen, die durchgekommen sind.

Es gibt nichts Neues unter der Sonne, bemerkt Kohelet nüchtern. Kriege werden geführt. Und Menschen sterben sinnlose Tode. So könnte man diesen biblischen Satz  kommentieren.

Auch in der Ukraine bleibt ein langer Stellungskrieg wahrscheinlich. Die Gegenoffensive wird die russischen Invasoren nicht einfach vertreiben. Es ist weiter mit einer hohen Zahl von Toten auf beiden Seiten zu rechnen. Bestenfalls gelingt es, Putin und Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Eindeutig ist: Russland hat ein souveränes Land überfallen und will die Ukraine gegen ihren Willen mit Gewalt und Tod vereinnahmen.

Ist die Gegenwehr mit Waffengewalt ethisch gerechtfertigt? Es gibt gute Gründe dafür, auch wenn klar ist, dass jede Lieferung und jeder Einsatz von Waffen Schuld mit sich bringt.

Beim Lesen des Romans von Remarque oder am Ende der Verfilmung habe ich etwas anderes  im Herzen: Nie wieder Krieg! Hände weg von den Waffen! Das kann ich viel unmittelbarer mit dem Handeln Jesu in Verbindung bringen. Ich fürchte, ein Krieg mit Panzern und Raketen kann niemals siegreich beendet werden. Es wird nur Verlierer geben, auf beiden Seiten. Und Schuld und Erinnerungen, an denen noch Generationen zu leiden haben werden.

Im Westen nichts Neues.

Ich wünsche mir so sehr, dass es im Osten mal etwas ganz Neues gibt. Dass Kohelet nicht Recht behält mit seinem resignierten Blick auf die Menschheit. Dass die Einsicht wächst, wie veraltet es ist, Krieg zu führen und endlich neue Wege beschritten werden, ohne dass Menschen sinnlos sterben, Häuser zerbombt werden und Natur zu Schaden kommt. Ich hoffe auf friedliche Kreativität im Streit um faire politische Lösungen. Lust auf gute Nachbarschaft. Freude am Austausch von Waren und Meinungen. Wachstum und Wohlergehen für alle.

Muss doch möglich sein. Dafür möchte ich beten.

Es gilt das gesprochene Wort.