Wort zum Tage
Geistergeschichten
23.03.2021 05:20
Sendung zum Nachlesen

Geister sind etwas wirklich Alltägliches. Unsterbliche Geschöpfe der Sprache, die das Denken über Generationen begleiten. Alte Geschichten, die sich durch uns alle weben.  Zarte, zähe Wortwesen, die Herzen und Hirne formen, die dir und mir den Weg weisen, uns nach Hause bringen, in die Weite oder in die Wüste führen. 
Unsere Geistergeschichten schaffen unsere Wirklichkeit. Mal dehnen sie die Gedanken über den Rand des Begreifens, mal flechten sie einem fremdes, längst vergangenes Leid in die Träume. Die Geister wispern hinter dem Sinn, den wir den Ereignissen vorschnell geben, und wehen kühl durch die (vermeintlichen) Gewissheiten. Darüber erschrecke ich oft, dafür bin ich oft dankbar.
Natürlich ist überhaupt nicht egal, wes Geistes Kind jemand sein will. Hier braucht es Unter-scheidungen und Entscheidungen. Und es ist eine Kunst, die Geister zu scheiden. Geister sind in der Regel menschengemacht. Sie deswegen nicht zu fürchten, wäre kurzsichtig. Zu leicht treiben sie einen vor sich her. Jedenfalls, wenn man sich nicht umdreht und sie anschaut. Was ist Besessenheit anderes, als getrieben zu sein? Allerdings gilt auch das andere: Wen der Geist Gottes treibt, ist Gottes Kind.
In biblischen Geschichten ist oft von Geistern die Rede. Von unreinen Geistern sogar, die Men-schen von anderen Menschen trennen, die sie zu Boden werfen, hin- und herstoßen, sie ver-stummen oder schreien lassen. Christus kann ihnen befehlen, diesen Geistern, heißt es. Vom Geist Gottes lässt er sich in die Wüste führen, dieser Christus. Dort wartet der Durcheinan-derwerfer schon auf ihn, der Diabolos, der in jedem Kopf zuhause sein will. Er wartet immer. Und Christus stellt sich ihm, heißt es. Was für ein Vertrauen. 
Es gibt auch eine biblische Poesie vom Geist, der weht wo er will, der über der Urflut schwebt, wie eine Taube vom Himmel herabkommt, wie Flammen. Es gibt wunderbare Verse von dem Geist, der Kraft und Liebe und Besonnenheit bringt. 
Gute Geister, schlechte Geister. Die unsichtbare Welt spielt in vielen Texten, die in den Kir-chen gelesen und gehört werden, eine Rolle. Zu ihnen gehen auch die Christinnen und Christen in Resonanz, die aufgeklärte Geister haben und die Vernunft so lieben wie sich selbst. Viel-leicht ist das die höhere Mathematik des Glaubens. Oder das kleine Einmaleins: Rechnen mit der unsichtbaren Welt, mit dem Geist Gottes und seinen Geistergeschichten. Auf dass wir Frieden hätten.
 

 

Es gilt das gesprochene Wort.