Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ Ben White
Was geschieht, wenn ich bete
Morgenandacht von Evamaria Bohle
08.04.2024 06:35

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Ich bete. Ich sage sogar eher: Ich gehe ins Gebet. Denn es ist nicht leicht, innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Gedanken kreisen. Mein Verstand hat gerne das Sagen. Es ist nicht leicht für ihn, mal loszulassen. Über Jahrzehnte war er der Herr im Haus. Hat er jedenfalls gedacht. Hat die Regeln gemacht, bestimmt, was richtig und falsch ist, hat für Ordnung gesorgt, gesagt, wo es langgeht. Und Körper, Geist, Seele sind seine Getreuen gewesen.

„Und so war es gut “, denkt mein Verstand und schaut sich um. War: Vergangenheit. Etwas hat sich verändert. Und das macht ihn nervös. Etwas untergräbt seine Autorität. Und das nicht erst seit gestern. „Komm, wir gehen ins Gebet“, hört er Körper, Geist und Seele noch sagen… Und mein Verstand weiß, dass er sie nicht aufhalten kann.

Ich gehe ins Gebet. Mit Körper, Geist und Seele. Seit Jahren mache ich das schon. Mal mehr, mal weniger regelmäßig. Mal gehen wir – also Körper, Geist, Seele und ich - in eine Kirche und zünden eine Kerze an. Mal stehen wir am Strand und singen gegen das Meer. Mal weinen wir in der Nacht. Mal lesen wir in der Bibel. Ich wende mich an etwas, das ich G’tt nenne. „Geheimnis der Welt“, sagen Körper, Geist und Seele. „Euer Vater im Himmel“, hat Jesus Christus gesagt. „Licht vom Licht“, klingt es in einem Glaubensbekenntnis aus fernen Jahrhunderten. Es ist wie ein Erwachen.

Und mein Verstand seufzt. Er habe das unterschätzt. Dass da eine Macht am Werk ist, die nach anderen Regeln spielt, hat er nicht ernst genommen. Eine Energie, eine Kraft, die aus einer anderen Welt kommen. Aber die Kraft ist da und speist eine kühne Sehnsucht in seine Wohlgeordnetheit hinein, wispert von Aufbruch, von neuem Himmel und neuer Erde. Der Verstand seufzt.

Ist das schon Beten, wenn man das wahrzunehmen beginnt? „Achtung! Das Reich G’ttes beginnt hier“, steht auf einem verwitterten Schild, an dem mein Verstand seit Jahren immer wieder vorbeikommt: Friede auf Erden! „Achtung! Hier gehen Lahme, sehen Blinde und die Armen erzählen gute Geschichten. Weitersagen.“ - Ich gehe ins Gebet.

Das Beten ist für meinen Verstand eine Fremdsprache geblieben. Vor allem, wenn dieses Beten sich an den G’tt wendet, zu dem ein vom Tod Auferstandener aus Nazareth vor 2000 Jahren „Vater“ sagte.

Dann verschränkt mein Verstand die Arme vor der Brust und hebt die Augenbrauen: „In welchem Jahrhundert lebst du eigentlich? Was bringt euch das nur, diese Art zu beten?“ Er muss Luft holen, der Verstand… - „Weite“, sagt die Seele leise. „Frieden. Liebe. Freiheit“, sagt der Geist. „Komm, nimm mich mal in den Arm", bittet der Körper. - Ich gehe ins Gebet.

Der Verstand schüttelt den Kopf. Meine Seele lächelt. Sie liebt den Verstand und verwendet gern seine Worte. „Für mich ist Beten ein Resonanzgeschehen, dem ich mich nicht entziehen will“, formuliert sie. „G’tt ist gegenwärtig, darauf muss ich antworten“, sagt meine Seele. Körper und Geist nicken.

Ich gehe ins Gebet, in diesen inneren stillen Raum, der mich verlässlich willkommen heißt als Seele, Geist und Körper. Egal wie ich drauf bin, egal in welcher Verfassung. Wie oft betrete ich diesen inneren Raum und bin ein Getöse. Ein Stimmengewirr. Ein Erlebnisgewitter. Gerade noch am Telefon gewesen, gerade noch auf Instagram gelacht, gerade noch Angst gehabt vor dem, was die Welt erschüttert, gerade noch versucht, den Verstand nicht zu verlieren. Ich atme ein, ich atme aus und bete: „Vater unser. Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit.“ Und mein Herz wird weit.

Ich lege alles ab, was mich beschäftigt, was mich freut und quält. Wer bin ich, G’tt? Jetzt. Hier. In diesem Moment, wenn ich ablege, was mich beschäftigt. Wenn ich Pflichtbewusstsein und Ratlosigkeit an den Haken neben der Tür hänge. „Wer du bist? Geliebt bist du“, sagt G’tt.

Es gilt das gesprochene Wort.