Aufmerksamkeit und Smartphones

Morgenandacht
Aufmerksamkeit und Smartphones
29.01.2015 - 06:35
23.02.2015
Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz

Smartphones haben eine unerreichte Erfolgsgeschichte. Fast jede und jeder hat eins, und minütlich suchen diese Alleskönner unsere Aufmerksamkeit: Mit E-Mails, Apps, Navigation oder Musik; mit Spielen, Nachrichten, sozialen Netzwerken oder Fotos. Und, fast hätte ich es vergessen, Telefonieren kann man damit auch. Mit ihren fast unbegrenzten Möglichkeiten nehmen die Smartphones mehr und mehr Raum im Alltag vieler Menschen ein. In Straßen- und U-Bahn haben dreiviertel der Fahrgäste den Kopf gesenkt; Fußgänger blicken kaum noch von ihrem gezückten Handy hoch; selbst beim Autofahren haben es viele auf dem Beifahrersitz und checken bei jeder roten Ampel ihren Posteingang. Da wird es dann gefährlich, denn das Funktionsprinzip der Smartphones ist, die Augen und mindestens eine Hand an sich zu binden.

 

Die Aufmerksamkeit geht allermeist dorthin, womit Augen und Hände beschäftigt sind. Das Radio ist da eine besondere Ausnahme, denn man kann nebenher mit Augen und Händen noch etwas anderes tun und seine Aufmerksamkeit teilen. Doch in aller Regel ist die Aufmerksamkeit ganz da, wo Augen und Hände sind. Das ermöglicht den Erfolg der Smartphones. Die Erkenntnis aber ist nicht neu, wie wichtig dieser Zusammenhang von Händen, Augen und Aufmerksamkeit ist, die Smartphones machen sie sich nur erfolgreich zu Eigen. Schon im grundlegendsten Text der Bibel, dem Glaubensbekenntnis Israels, spielt dieser Zusammenhang eine zentrale Rolle.

 

Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein.

Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen.

 

Es geht darum, seine ganze Aufmerksamkeit im Hören auf Gott zu richten und sich seine Worte zu Herzen zu nehmen. Damit aber die ganze Aufmerksamkeit ins Hören geht, gibt es noch eine biblische Regel. Diese will Augen und Hände daran hindern, dass sie ablenken vom Hören:

Und du sollst Gottes Worte binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein. (Dtn, 6, 4f.8)

 

Religiöse Juden tragen deshalb bis heute beim Beten Gebetsriemen, die sogenannten Tefillin. Das sind ein Paar schwarze Lederriemen mit kleinen ledernen Gebetskapseln. In ihnen befinden sich auf Pergament geschriebene Texte aus der Bibel. Der Hand-Teil wird um den Arm, die Hand und die Finger gewickelt, der Kopf-Teil wird auf der Stirn getragen. Lange habe ich den Sinn dieser Gebetsriemen nicht verstanden. Wieso soll man besser Hören oder Beten können, mit solchen Zeichen auf der Hand und der Stirn? Erst die Faszination durch das Smartphone hat mir da die Augen geöffnet – meine Aufmerksamkeit ist da, wo Augen und Hände sind. Was manchen bei religiösen Juden wie ein recht seltsamer Brauch erscheint, enthält eine tiefe Weisheit. Und im übertragenen Sinn machen es ja auch Christen so, dass sie Augen und Hände binden beim Gebet. Sie schließen die Augen und falten die Hände.

 

Gott will die Aufmerksamkeit der Menschen. Daran hat sich seit alters her nichts geändert. Er will sie nicht, um bewundert zu werden, sondern weil die auf ihn gerichtete Aufmerksamkeit Menschen zum richtigen Leben verhilft. So gewinnt ihr Leben Tiefe und Richtung. Und genau das können die scheinbaren Alleskönner, die Smartphones, dann doch eher nicht. Bei aller Bewunderung, für das was die Smartphones können: Es tut gut, ja, es tut Not, sie öfters einmal aus der Hand zu legen, die Augen zu schließen und die Hände zu falten.

23.02.2015
Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz