Behüte dein Herz, aus ihm quillt das Leben
von Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz
01.08.2024 06:35
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"Mehr als alles andere behüte dein Herz, denn aus ihm quillt das Leben." (Sprüche 4,23) Diese weit über 2000 Jahre alte Weisheit aus der Bibel gilt nach wie vor. Viele behüten ihr Herz – allerdings ganz anders als zu biblischen Zeiten. Pulsfühlen und Blutdruckmessen ist für uns selbstverständlich. Und auch wenn die Hochleistungssportler in den olympischen Wettkämpfen alles geben und ihr Herz dabei in ungeahnte Höhen schnellt, sie achten sehr darauf.

Als der biblische Satz formuliert wurde, war aber seine medizinische Dimension den Menschen so noch gar nicht bekannt. Damals galt das Herz als Zentrum der Person, als der inwendige Mensch. Es beherbergte nach damaliger Vorstellung den Verstand, das Gewissen und war der Sitz der Gefühle. Wozu das Gehirn gut ist und wie das Herz tatsächlich funktioniert, das wussten die alttestamentlichen Verfasser einfach nicht.

Und das wusste man noch ganz, ganz lange nicht. Es fehlte schlicht an der Einsicht, dass das Herz eine Pumpe ist und mit dem Pulsschlag in Verbindung steht. Dazu musste erst die Pumpe als technisches Gerät erfunden werden. Und so dauerte es bis zum Jahre 1628. Da veröffentlichte der Arzt und Anatom William Harvey sein bahnbrechendes Werk Anatomische Studien über die Bewegung des Herzens und des Blutes bei Tieren. Die Chinesen haben das Geheimnis bereits ca. 2000 Jahre v. Chr. gelüftet, und auch die alten Ägypter scheinen die Funktionsweise des Herzens zumindest grob verstanden zu haben. Aber dieses Wissen ging wieder verloren.

Heute ist das Herz medizinisch "entzaubert". Es ist ein Muskel, der Blut durch den Körper pumpt. Unvorstellbar, was dieser kleine Muskel in jeder und jedem von uns leistet. Ungefähr mit dem vollendeten 25. Lebensjahr ist jeder Mensch Milliardär. Denn sein oder ihr Herz hat bis dahin eine Milliarde Mal geschlagen. Sonst hätte er oder sie dieses Alter gar nicht erreicht.

Und doch ist das Herz viel mehr als eine Maschine, die eine lebenswichtige Aufgabe leistet. Denn der Muskel "Herz" ist durchaus Spiegel unseres körperlichen und seelischen Zustands. Das mag vom Gehirn gesteuert sein, manifestiert sich aber fühlbar in einem rasenden, pochenden oder schmerzenden Herzen. Das Herz ist nicht nur ein Muskel, sondern ein psycho-somatisches Organ. Deshalb ist auch die symbolische Rede vom Herzen als Sitz der Gefühle nicht einfach überholt. Das symbolische Herz als emotionales Zentrum einer Person ist viel mehr als das physikalische Herz, auch wenn dieses dazugehört.

Jede und jeder versteht, was gemeint ist, wenn vom Herzen als Zentrum der Person gesprochen wird. "Mehr als alles andere behüte dein Herz, denn aus ihm quillt das Leben." Für ein gelingendes Leben versteht man die alte biblische Weisheit am besten in beiden Hinsichten, der körperlichen und der symbolischen. Weil aus dem Herzen das Leben quillt, deshalb sollten wir es unbedingt beschützen.

Als Muskel soll man das Herz trainieren, nicht überlasten, aber fit halten und so das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mindern. Aber das reicht nicht für die biblische Weisung, kann sogar ihr Gegenteil bedeuten. Angenommen jemand trainiert den Herzmuskel nur, damit er umso mehr Mitmenschen schaden und mehr Böses vollbringen kann. Der hat den Satz nicht nur nicht verstanden, sondern pervertiert.

"Mehr als alles andere behüte dein Herz, denn aus ihm quillt das Leben." Im symbolischen Sinn heißt der Satz: Achte auf den Sitz deiner Gefühle. Sei mitfühlend. Sei barmherzig. Das Zentrum der Person soll rein und integer bleiben. Ja, das Herz gehört zu Gott. Der Kirchenvater Augustin hat es aus eigener Lebenserfahrung so formuliert: Ruhelos ist unser Herz, bis es ruht in dir, Gott.

Es gilt das gesprochene Wort.

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