Wir sterben an Liebe und leben vom Wein

Wort zum Tage
Wir sterben an Liebe und leben vom Wein
04.02.2015 - 06:23
05.01.2015
Pfarrerin Kathrin Oxen

„Wir sterben an Liebe und leben von Wein“. Wo mag dieser Satz zuhause sein? Ich denke an den Süden, wenn ich ihn höre, Italien, Frankreich, Griechenland vielleicht. Bestimmt irgendwo rund ums Mittelmeer, wo der Wein wächst und die Temperaturen jetzt schon angenehmer sind. So kann man sich täuschen. Diese Worte kommen aus dem hohen Norden, von dort, wo es jetzt eher noch dunkler und kälter ist als bei uns. Sie stammen von Carl Michael Bellman, der heute vor 275 Jahren in Stockholm geboren wurde. „Fredmans Epistel“ lautet der Titel der bekanntesten Sammlung seiner Lieder. Sie sind an Bellmans Trinkkumpanen gerichtet. Seine „lieben Brüder“ sind, in ironischer Anspielung auf die Briefe des Apostels Paulus, die „Bier-Epheser“ und die „Sauf-Korinther“ in den Kneipen und Krügen Stockholms.

 

Und auch die Schwestern werden ausdrücklich genannt und beschrieben - vor allem die körperlichen Vorzüge von Ulla, Anna-Greta und Stina. Sehr lebensfroh und sinnlich, ganz anders als bei Paulus. Und diese unbändige Lust am Leben wird bei Carl Michael Bellman noch gesteigert durch das Wissen, dass eines Tages der Tod kommen wird: „So trolln wir uns ganz fromm und sacht von Trinkgelag‘ und Freudenschmaus / wenn dir der Tod sagt: Gute Nacht, dein Stundenglas rinnt aus.“

 

Carl Michael Bellman ist Schwedens Nationaldichter. Er hat sogar einen eigenen Feiertag. Aus nachvollziehbaren Gründen wird der aber nicht an seinem Geburtstag im Februar begangen, sondern am 26. Juli, im schwedischen Sommer. Da lässt sich die Bellmansche Lebenslust einfach besser nachempfinden und feiern, auch draußen. „Wir sterben an Liebe und leben von Wein“, singen sie dann. Ausgerechnet in dem Land, in dem der Sommer so kurz ist. Ausgerechnet in dem Land, in dem heute Bier, Schnaps und Wein nur unter staatlicher Aufsicht verkauft werden. Und sie singen und feiern zu Ehren eines Mannes, der sein ganzes Leben anstatt einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, lieber gedichtet, musiziert und sehr viel getrunken hat. Chronisch pleite war er außerdem. Dafür lieben ihn die Schweden. Und sie zeigen damit, dass sie auch eine ganz andere Seite habe als ihre wohlorganisierte.

 

Lebenslust ist keine Frage des Klimas. Ich habe auch eine andere Seite, jenseits von Alltag, Pflichten und ausgeglichenem Bankkonto. Wie viele Gelegenheiten gibt es, zu denen ich sie zeige? Ein Feiertag einmal im Jahr dafür wäre doch zu wenig.

05.01.2015
Pfarrerin Kathrin Oxen