Ein frommer Dichter gibt zu denken

Wort zum Tage
Ein frommer Dichter gibt zu denken
21.01.2015 - 06:23
05.01.2015
Pfarrerin Christina-Maria Bammel

Sicher haben viele es noch gestern Abend gesungen – Ihren Kindern oder Enkeln: „Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar.“ Dieses Lied fehlt ja in keiner Kinderliedersammlung. Als Fünfjährige habe ich mich allabendlich darüber gewundert, warum denn der Nachbar schon wieder krank ist. Heute bewegt mich die Güte und Freundlichkeit, die in den Versen scheint wie ein tröstendes Mondlicht. Und ich weiß mehr um die „Sachen, die wir getrost belachen, weil unsere Augen sie nicht sehn“. Humor und Güte hat man dem frommen Dichter Matthias Claudius oft nachgesagt. Kann man gut brauchen, um das Allerlei jedes einzelnen Tages zu bestehen. Oft arbeitete Matthias Claudius in prekären Verhältnissen ohne sicheres materielles Netz. Er selbst sah sich dabei mehr als Bote denn als Dichter. Und sicherlich war dieser abgebrochene Theologiestudent und eifrige Journalist auch ein Bote der guten Nachrichten Gottes in seiner damaligen Welt. Dabei setzte er nicht auf irgendeine künstliche Heiterkeit, sonden auf gesunden Menschenverstand und eine dankbare Haltung dem Leben gegenüber. „Ich danke Gott mit Saitenspiel, dass ich kein König worden; ich wär‘ geschmeichelt worden viel und wär‘ vielleicht verdorben.“ Ehrfurcht spricht aus diesen Zeilen. Eine nüchterne, aber dankbare christliche Weltlichkeit ebenso. Doch manchmal hat man den frommen Boten samt seiner Einschätzungen zur Lage zwischen Krieg und Revolution, zwischen Rationalismus und Romantik auch als hinkenden Boten und rückschrittlichen Sonderling belächelt oder sogar beschimpft. Das hat ihn gegrämt, aber nicht verbittert. Humor und Güte waren es , die ihn davor bewahrten. Im Tiefsten gehalten hat ihn das Familienglück mit seiner Rebecca, der Liebe seines Lebens. 12 Kinder hat sie geboren. Eigene Kinder, die vor der Zeit gestorben waren, begraben zu müssen, war der Schmerz, den die Eheleute teilten. Beherzt ehrlich und immer auf Augenhöhre lesen sich die Briefe an seine Frau und an seine Kinder. „Sage nicht alles, was du weißt, aber wisse immer, was du sagst. Nicht die frömmelnden, aber die frommen Menschen achte …“ schrieb er seinem Sohn 1799. Als es für Matthias Claudius heute vor 200 Jahren ans Sterben ging, soll er eine gewisse Neugier gezeigt haben. Was wird ihn, den alten Claudius, erwarten in der Stunde des Sterbens und darüber hinaus? Vielleicht wollte er die Umstehenden nicht belasten und hielt die Last des Sterbens bei sich. Womöglich aber war es ihm auch geschenkt, freundlich aufblickend und ein wenig neugierig sterben zu können. Zu seinem gelebten Leben würde das allemal passen.

05.01.2015
Pfarrerin Christina-Maria Bammel