Dass im Stall ein Licht brennt

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Mateus Bandeira

Dass im Stall ein Licht brennt
Morgenandacht von Ulrike Greim
18.01.2024 - 06:35
29.12.2023
Ulrike Greim
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Zu schön! Da sitzen wir bei unseren Freunden, den Biobauern. Sie erzählen von ihren erwachsenen Kindern. Da war zum Beispiel der Anruf vom Sohn. Er sagte der Mutter: „Wir wissen jetzt, was wir uns zur Hochzeit von euch wünschen. Eine Kuh.“

Der Sohn ist Bauer, wie die Eltern. Noch ein ganz junger, noch ohne Hof. Erst einmal: der Hof der Schwiegereltern, denn die Frau wird auch eine Bäuerin. Ein Kind ist unterwegs.

Was braucht man, um anzukommen? Um einen Pflock einzuschlagen und zu sagen: So, das ist jetzt unser Lebensmittelpunkt? Eine Kuh. Der Vater versteht es sofort. „Wenn eine Kuh auf dem Hof ist, dann hat der Hof eine Mitte“, sagt er.

Ich verstehe nur so halb. „Das heißt: Im Stall brennt Licht?“ Er lacht. Ja, so in etwa. Cool, denke ich. Eine Kuh als Zentrum. Nicht der Esstisch der Familie, nicht der Hofladen, sondern der Kuhstall, wo mindestens zweimal täglich gefüttert wird und gemolken, wo gezeugt und geboren wird.

Im Stall brennt wieder Licht. Manchmal sind es so scheinbar kleine Zeichen von Leben. Und: klasse, wenn eine junge Familie so ein Leben wiederaufbaut. In meiner Region in Thüringen ist ja sonst eher das Gegenteil der Fall. Die jungen Leute ziehen weg, es werden wenig Kinder geboren. Hier gehen viele Lichter aus.

Am Tisch unserer Freunde, den Biobauern, reden wir über die Kirchgemeinden. Hier müssen viele zusammengelegt werden. Sie erzählen, wie schmerzlich es war, als im Pfarrhaus das Licht ausgegangen ist. Sehr schmerzlich. Sterben auf Raten. Irgendwann blinken hier nur doch die roten Lichter der Windräder. Kann man die letzten kleinen Zeichen von Leben nicht irgendwie bewahren? Oder finden Dörfer eine neue Normalität mit wenigen? Finden das auch die Kirchgemeinden? Die Kommunen?

Was ist das Zentrum, das Wesentliche? Was ist das Zeichen, dass das Leben da ist und intakt? Bei den Höfen ist es irgendwie greifbarer. Da sind viele Leute, da ist immer Betrieb. Ruhepausen gibt es fast nicht, die Tiere müssen ja versorgt werden. Säen und pflanzen, wachsen und ernten, verkaufen – da ist der Kreislauf des Lebens fühlbar.

In der Stadt ist das schon anders. Wenn das Stadtteilhaus belebt ist, die Gaststätte unten offen hat und einen warmen Herd und einen guten Koch. Wenn der Kindergarten in der Nähe ist und eine Diakonie-Sozialstation. Jeder definiert es für sich. Welches ist das Zeichen, dass das Leben noch eine Mitte hat?

Vermutlich merkt man das erst, wenn sie fehlt, diese Mitte. Wenn das Licht heruntergebrannt ist, die Lebens-Energie. Die Fähigkeit, das Leben verstoffwechseln zu können.

Dann ist es vielleicht so, dass es wieder mit der Sehnsucht anfängt. Mit dem Fragen, was könnten wir uns wünschen. Dann beginnt der Weg, auf dem ich fragen kann: Was ist wichtig? Der Stall, in den wieder Leben einzieht, der Küchentisch, an dem wieder Gäste sitzen, gutes Essen, gute Freundinnen.

Das ist der Punkt, an dem das Wünschen wieder zählt. Wo ich mal träumen darf: Wie gelingt Leben? In welchem Fenster will ich Licht machen? Und dann kann überall Leben einziehen. Auch im kleinsten Dorf.

Da geht Licht an wie einst im Stall von Bethlehem. Und es wird eine Hoffnung für so viele. Gott ist sich auch heute nicht zu fein für schäbige Unterkünfte, für provisorische. Er ist doch schon längst da, bevor wir das erste Licht anzünden.

Und mitten dabei, wenn wieder ein Haus im Mittelpunkt des Dorfes gegründet wird. Am besten eins, das offene Türen hat, wo auch komische Leute willkommen sind. Wo vielleicht gesungen wird und sich jemand traut, zu beten zu einem Gott. Wo etwas wieder in Gang kommt – zwischen mir und dir und denen von nebenan.

Manchmal beginnt es mit einem einfachen Wunsch. Ich wünsche mir eine Freundin. Oder einen warmen Herd. Oder eben eine Kuh.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

29.12.2023
Ulrike Greim