Dem Himmel so fern?

Morgenandacht
Dem Himmel so fern?
12.05.2021 - 06:35
06.05.2021
Angelika Obert
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

„Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm“... So habe ich als kleines Kind beten gelernt – jeden Abend vor dem Einschlafen. Heute ist das Gebet wohl ein bisschen in Verruf. Es klingt allzu artig und naiv aufs Jenseits gerichtet. Auch ich habe in meinen Ge-beten den Himmel aus den Augen verloren. Ich bete um Gesundheit, Kraft, Gelingen – alles, was ich brauche, das Leben zu bestehen, aber der Himmel kommt dabei nicht vor. Der ist zu weit weg. Der Himmel kann warten – so heißt es doch in einem alten Popsong von Meat Loaf. Allerdings ist in dem Song dann auch davon die Rede, wie sich das Leben manchmal schon auf der Erde sehr himmlisch anfühlen kann. Wenn alles stimmt in einer rauschenden Mainacht. Wenn man frisch und selig verliebt ist. Oder gänzlich sorgenfrei im Urlaub. Himmel auf Erden – das bedeutet vollkommenes Glück. Wer will das nicht? Nur gerade jetzt in der langen Pan-demie-Krise ist das nun wirklich sehr weit weg. Seit vielen Monaten drücken die Einschrän-kungen auf‘s Gemüt, die Angst vor dem Virus, das Abstand halten und Eingesperrt sei. Das drückt manchmal sogar höllisch. Es wär schon schön, mal wieder eine Ahnung von Himmel zu haben. 

Und so denke ich an Christi Himmelfahrt, den Feiertag morgen, der mich daran erinnert: So fern soll mir der Himmel gar nicht sein. Wenn Christus in den Himmel eingegangen ist, dann bedeutet das ja nicht, dass er in ein Jenseits entschwunden ist. Es heißt vielmehr, dass der Himmel durch ihn für uns nahe kommt. Nicht erst im Jenseits. „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ So großartig verspricht es das Johannesevangelium. Gottes Nähe ist versprochen an Christi Himmelfahrt. 

Gut, das ist nun kein Traumurlaub. Aber es lässt mich noch einmal neu nachdenken, was es mit dem Himmel auf sich hat, der nicht bloß jenseits ist und auch nicht perfekte Glückselig-keit bedeutet. Aber doch wohl Weite und Freiheit, ein getrostes Herz – so stelle ich mir Got-tes Nähe vor. Und da möchte ich doch auch hinkommen. ‚Lieber Gott, mach mich fromm...“
Wirklich, gerade in diesem Jahr will ich es mir sagen lassen: Christi Himmelfahrt rückt den Christus nicht fern, sondern den Himmel nah. Himmelsahnung ist nicht nur für Verliebte und glückliche Strandurlauber bestimmt. Himmelsahnung oder zumindest Himmelshoffnung ist auch uns Pandemiemüden zugedacht, denen, die allein leben und denen, die sich im familiä-ren Homeoffice rumschlagen. Sogar denen, die große Geldsorgen haben. Dafür ist es aber wohl sehr nötig, fromm zu sein, wie es in dem alten Kindergebet heißt: Darauf zu vertrauen, dass Gott mein Leben trägt. So sehr darauf zu vertrauen, dass die Angst und der Druck auf meinem Herzen mich nicht unentwegt beherrschen. Dass ich noch aufschauen kann, was der Augenblick mir gerade schenkt. Fromm sein – das hieße wohl, getrost und heiter leben, dem Himmel nah – und keineswegs streng und verbiestert zu sein, wie viele Leute sich die Fröm-migkeit vorstellen.
Ich merke: Es ist nicht weit her mit meiner Frömmigkeit. Ich stehe nicht leicht und heiter auf. Ich bin oft ganz lahm von allen möglichen Sorgen und Ungewissheiten. Und treibe dann bloß so durch den Tag, der mir nun schon lange sehr gleichförmig vorkommt. Ich habe es ge-rade jetzt nötig zu beten: „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.“ Lieber Gott, schenke mir ein ruhiges Herz und einen freien Blick – so möchte ich das Gebet übersetzen.
Und wenn ich mich frage, was ich denn dafür tun kann, dem Himmel ein wenig entgegenzu-kommen, so denke ich an einen schönen Spruch von Friedrich Schleiermacher, den mir eine Freundin mal geschenkt hat: „Sorge nicht um das, was kommen mag. Weine nicht um das, was vergeht. Aber sorge, dich selbst nicht zu verlieren. Und weine, wenn du hintreibst im Strom der Zeit, ohne den Himmel in dir zu tragen.“
 

Es gilt das gesprochene Wort.


 

06.05.2021
Angelika Obert