Der Versteinerte Wald von Lesbos

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Caleb Jack

Der Versteinerte Wald von Lesbos
Morgenandacht von Pfarrer Eberhard Hadem
26.02.2024 - 06:35
29.12.2023
Pfarrer Eberhard Hadem
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Auf der Insel Lesbos in der nördlichen Ägäis gibt es etwas, das ich mit Worten kaum beschreiben kann: den Versteinerten Wald von Lesbos. Wie dieses Naturereignis entstanden ist, davon erzählt der erloschene Vulkankegel des Ordymnos. Vor 15 bis 20 Millionen Jahren standen hier ganze Wälder riesiger Sequoia- und Mammutbäume. Durch einen gigantischen Ausbruch hat der Vulkan sie in einem heißen Regen von Lava, Stein und Asche begraben. Und schließlich unter einer durchlässigen Tuffschicht versiegelt. Heiße Quellen haben diese Schicht dann im Lauf der Zeit mit mineralhaltigem Wasser getränkt. Mit ihm drang Siliziumdioxid in jede Zelle und formte allmählich die Holzstruktur der Bäume nach. Auch Äste und Jahresringe lassen sich heute noch erkennen. Man kann sogar einen versteinerten Wurm entdecken, der sich unglücklicherweise am falschen Ort befand, als der Vulkan ausbrach.

Über die Jahre hinweg hat der Wind Sand und Staub abgetragen und die Bäume in ihrer versteinerten Form freigelegt. Sie schauen aus wie Holz, sind aber aus Stein. Gelb, rosa, lila, rot – sie schillern in vielen Farben wie Wunderwerke in der heißen Sonne. Und nun – 20 Millionen Jahre später – knie ich vor diesen steingewordenen Bäumen, die mausetot flach auf dem Boden liegen. Den Lebewesen damals fehlte jedes Bewusstsein, dass sie in einem Nu, in einem Moment der Erdgeschichte die letzte Generation ihres Waldes sein würden. Hätte es aber damals schon Menschen gegeben, so bin ich sicher: Die meisten hätten trotz des Vulkans ausgeharrt, das Beste gehofft und das Schlimmste verdrängt, das eintreten könnte. Und dann ist es doch geschehen, das Schreckliche.

Die Klimaforschung versucht schon lange begreiflich zu machen, dass ich, dass wir heute vielleicht zu einer Generation gehören, deren wunderbare, schöne Lebenswelt verwüstet werden könnte. Manche zornigen Zeitgenossen schauen auf die wissenschaftlichen Daten, rechnen die Zahlen in die Zukunft hoch – und sehen schwarz. ‚Die Ärzte‘, eine Punkrockband aus Berlin hat scheinbar die richtige Lösung für sich gefunden: ‚Los komm, wir sterben endlich aus / denn das ist besser für die Welt.‘

Aber solche Drohungen, wie schlimm es für die ganze Welt werden könnte, ändern wenig. Im Gegenteil: In Furcht versteinern macht mich noch ohnmächtiger. Als Symbol hat der versteinerte Wald von Lesbos keinerlei Kraft in sich selbst. Er ist nur eine alternativlose Drohung, sonst nichts. Etwas in mir lehnt sich auf gegen diese hoffnungslose Sichtweise, als gäbe es keine Alternative. Denn ohne Hoffnung finden wir auch keine Kraft, etwas zu ändern.

Anders ist es mit den Geschichten der Bibel, in denen Menschen auch in scheinbar ausweglosen Situationen erfahren: Meine Geschichte geht weiter, wenn auch anders als ich denke. Die schwangere Hagar in der Wüste, kurz davor, sich aufzugeben, entdeckt einen neuen Weg, den sie bisher nicht gesehen hat. Jona und die Stadt Ninive warten auf das Ende, das nicht kommt, sie werden überrascht – weil Gott barmherzig ist und sich ändert. Was könnte also ich ändern?

Das Markenzeichen aller Hoffnungsgeschichten der Bibel ist: Sie erzählen von einem überraschenden Ausgang einer Geschichte, gegen jeden Augenschein. Von Menschen, die überwinden, sogar sich selber, davon ist die Bibel voll. Ihre Geschichten machen mir Mut. Immer dann, wenn es heißt: „Wer überwindet…“ geschieht Neues, mit dem kaum jemand rechnet. Überwinden, mich selbst, im Herzen, im Denken, im Tun. So kann beim Gehen ein Weg entstehen, selbst wenn ich noch nichts von ihm ahne. Die Welt retten kann ich nicht. Aber mich überwinden, das kann ich versuchen.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

29.12.2023
Pfarrer Eberhard Hadem