Fliegen können – Gott ahnen

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Pablo Heimplatz

Fliegen können – Gott ahnen
Morgenandacht von Ulrike Greim
15.01.2024 - 06:35
29.12.2023
Ulrike Greim
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Ich habe einmal geträumt, ich könne fliegen. Ganz mühelos. Einfach so, als würde das normal sein. Ich stoße mich nur ein bisschen ab und schon bin ich in der Luft. Meine Gedanken steuern den Flug. Hui! Ich fliege über Dörfer und Felder, kann alles ganz genau sehen. Die Hecken dazwischen, die Wegweiser, die roten Dächer und die Hinterhöfe. Hier füttert eine Frau die Hühner, da sitzt ein älterer Herr auf der Bank, da spielen zwei Kinder im Garten. Und dort steht ein winterfest abgedeckter Swimmingpool.

Ich kann mich flacher in den leisen Wind legen und beschleunigen, dann richte mich ein wenig auf und werde langsamer. Ich spiele mit der Geschwindigkeit. Ich kann jetzt alles entdecken, was ich schon immer einmal sehen wollte. Die Hügelkette streife ich fast, dahinter das Dorf, das kenne ich gut. Ich segle um den Kirchturm. Sehe, wie ein LKW den Supermarkt beliefert, wie die Kinder vom Pausenhof wieder in die Schule gehen.

Es ist, als wäre mir alles erlaubt. Die Schwerkraft ist aufgehoben, das Atmen geht mühelos.

Als der Traum längst vorbei ist, fliege ich in Gedanken noch weiter. Es ist einfach zu schön, sich alles von oben anzusehen, überall mühelos hinzukommen, neugierig sein zu dürfen, zu staunen. Die Welt ist so bunt! Es gibt so viel zu sehen! Und noch mehr zu ahnen. Also fliege ich weiter.

Unter mir jetzt der Thüringer Wald, dunkelgrün und langgezogen. Ich sause nach Westen, nach Köln, sehe die beiden Türme des Doms und den Rhein. Ich drehe nach Osten ab und fliege über weite Landschaften nach Berlin.

Ich sehe Nord- und Ostsee, sie blinken in der Sonne, ich gehe noch höher und schaue weit nach Polen hinein, dahinter – das muss die Ukraine sein. Von hier oben sieht sie wunderschön aus. Zauberhafte Landschaften, fein gegliedert, alles so gut erdacht. Ich wende mich Richtung Süden und sehe die Alpen. Schneebedeckte Gipfel, soweit das Auge reicht. Majestätisch vor dem blauen Himmel. „Du tränkst die Berge von oben her, du machst das Land voll Früchte, die du schaffest.“ So steht es in einem Psalm in der Bibel, Psalm 104. „Wie zahlreich sind doch deine Werke, Gott, alle hast du mit Weisheit ausgeführt, die Erde ist erfüllt von dem, was du geschaffen hast!“ (Ps 104,13)

Ich gehe höher und sehe hinter den Bergen langgestreckte Seen.

Da überall ist Leben. Da werden auch heute wieder Familien gegründet und Kinder geboren, da entdeckt jemand ein neues Medikament, da tüfteln Teams an der Energie der Zukunft, dort pflegen Menschen Blumen, da träumen welche von atemberaubenden Theaterinszenierungen. Da ist so viel Phantasie, da ist so viel Liebe. Da küsst eine Mutter ihren Sohn und der hüpft los.

So viele Details, an denen ich mich gar nicht sattsehen kann. So viel Schönheit. Und das Leben läuft. Die Probleme – so klein. Das Staunen – so groß.

Hast du das alles gemacht, guter Gott? Ist deine Phantasie unendlich? Es sprudelt nur so aus dir heraus, oder? Jeden Tag neu. Da halten die Apfelbäume Winterruhe, während der Grünkohl gedeiht und der Winterweizen vorsichtig grün aus der Erde hervorspitzt. Das geht alles weiter und weiter.

Und du, Gott, hast Lust daran, stimmt’s? Und das ist noch wenig? Da gibt es noch viel, viel mehr. Ja, ich habe so eine Lust, das alles zu entdecken. Dich zu entdecken.

Nimm mich mit auf deine Flügel und zeige mir deine Welt. Die merkwürdigsten Tiere, die höchsten Gipfel. Und was du dir dabei gedacht hast. 

Zeige mir, wo die Sonne aufgeht. Zeige mir den Mond und erklär mir die Sterne. Ich will mit dir durch Galaxien fliegen. Und langsam ahnen, wie du es mit uns meinst, Unendlicher! Wie eine Mutter, die neues Leben auf die Welt setzt, hegt und pflegt und erhält.

Egal, wie weit ich fliege: Du bist längst da, Gott, deine schöpferische Liebe war schon, lange bevor ich in deine Gedanken kam. Und sie wird sein, wenn ich nicht einmal mehr ein Hauch bin.

Würdest du mich bitte ganz vorsichtig bei mir zuhause absetzen? Nicht zu schnell. So, dass ich noch mitkommen kann. Und kommst du noch auf einen Tee mit hinein?

Es gilt das gesprochene Wort.

 

29.12.2023
Ulrike Greim