Meine Sorgen möcht‘ ich haben

Morgenandacht
Meine Sorgen möcht‘ ich haben
09.01.2019 - 06:35
06.12.2018
Peter Oldenbruch
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Im Juli und im August 1987 landete der vielleicht bekannteste Song des Komikers und Sängers Jürgen von der Lippe auf Platz eins der ZDF-Hitparade. „Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Habt ihr auch so gut geschlafen, na dann ist ja alles klar.“

 

Das hörte sich damals so an:

 

Anfang und Titel –haben es in sich.

Nicht wenige Menschen mögen ihre Sorgen!

Sie klammern sich an sie und können sie nicht loslassen.

Das würden sie so in der Regel nicht zugeben.

Ich meine jetzt nicht die Fürsorge,

die Sorge um eine demente Mutter oder ein psychisch krankes Kind.

Auch nicht die für alle notwendige Selbstsorge.

„Sorge für andere und für sich selbst ist eine conditio humana“, sie gehört zur menschlichen Natur. Ja: sie ist „eine Gestaltungskraft des Lebens und des Zusammenlebens.“ (1)

Wer sich um niemanden kümmern, für niemanden sorgen muss, leidet.

Leidet an fehlender menschlicher Nähe.

Wer sich selbst gleichgültig ist, gibt sich auf.

Wer für sich Sorge trägt, nimmt sich ernst.

Wer sich um andere kümmert, nimmt Verantwortung wahr. Und das ist gut so.

Mit „Guten Morgen, liebe Sorgen,“ nimmt Jürgen von der Lippe eine andere Lebenshaltung auf die Schippe: Das Lebensgrundgefühl Sorge.

 

Und diese Sorge als Lebensgrundgefühl fällt manche Menschen an wie ein wildes Tier.

Und lässt sie nicht mehr los. Vor allem vor dem Einschlafen oder mitten in der Nacht, da beißt das Raubtier Sorge am liebsten zu.

Und es geht um alles:

um die Freundin, die Eltern, die Kinder,

ums Geld, das nicht reicht,

ums Haus, um den Garten, um Hund oder Katze,

um all das, was noch zu erledigen und kaum zu schaffen ist.

 

Es geht um alles – und es geht um nichts. Motto: „Meine Sorgen möchte ich haben!“ (2)

Die so Angefallenen können das nicht selten sogar erkennen, aber nichts dagegen tun.

Die Sorge wird zu einem Grundgefühl, zu einer Last. „Wer ganz und gar in Sorge ist, der kann nichts anderes mehr spüren - und nichts anderes mehr sehen.“ (3)

 

„All‘ eure Sorgen werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“

Heißt es im ersten Petrusbrief in der Bibel.

Die Sorgen wegwerfen! Und wie soll das funktionieren?

Da braucht es jemanden, dem ich meine Sorgen vor die Füße schmeißen kann, „der nicht nur die Bereitschaft zur Hilfe, sondern auch die Macht dazu hat.“ (4)        

Hier, Gott, meine Sorge, nimm sie, mach‘ damit, was du willst.

Das Lebensgrundgefühl Sorge „lebt von dem Hochmut, dass unser Leben von unserem Willen bestimmt wird und nach unseren Wünschen verläuft. Frei von dieser Macht wird nur, wer sich in Demut alles im Leben schenken lässt.“ (5)

 

Also: Ich muss nicht alles regeln.

Und nicht alles unter Kontrolle haben.

Ich muss nicht alles richtig machen.

Ich bin nicht allein verantwortlich.

Es gibt Menschen, die es gut mit mir meinen. Auf die ich mich verlassen kann.

Vielleicht wächst das Vertrauen auf Gott genau daraus: mich verlassen können.

„Man könnte es wörtlich nehmen: Ich verlasse mich. Ich bin nicht mehr bei mir und meiner Sorge. Ich kann von mir absehen.“ (6)

 

Ach wenn‘s nur so einfach wäre!

Das Lebensgrundgefühl Sorge ist ein Teufel und geht umher wie ein brüllender Löwe und versucht, Menschen zu verschlingen. Aber Teufel gibt‘s doch nicht!

Den Teufel, den es nicht gibt, lässt Umberto Eco im Namen der Rose sagen, er sei

„nicht der Fürst der Materie, sondern

die Anmaßung des Geistes

der Glaube ohne ein Lächeln,

die Wahrheit, die niemals vom Zweifel erfasst wird.“(7)

 

Dem teuflischen Lebensgrundgefühl Sorge ein winziges Gebet entgegensetzen:

„All meine Sorgen werfe ich auf dich, Gott, denn du sorgst für mich.“

Dann bin ich die Sorgen nicht alle los, aber ich fürchte mich nicht so sehr. Ich verlasse mich.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

Literaturangaben:

  1. Kristian Fechtner, in: Predigtstudien 2014/2015, 2. Halbband, 149
  2. Kurt Tucholsky
  3. Kristian Fechtner, a.a.O. 150
  4. Manfred Josuttis, Erleuchte uns mit deinem Licht, Gütersloh 2009, 200
  5. ebd.
  6. Kristian Fechtner, a.a.O. 151
  7. Umberto Eco, der Name der Rose, München 1983, 607
06.12.2018
Peter Oldenbruch