Kreuzweg: Pilatus

Morgenandacht

Gemeinfrei via Unsplash/ Brian Mann

Kreuzweg: Pilatus
Morgenandacht von Pfarrer Peter Oldenbruch
27.03.2023 - 06:35
01.02.2023
Pfarrer Peter Oldenbruch
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Die Sendung zum Nachlesen: 

Auf Kreuzwegen betet man. Aber man betet dabei auch mit den Füßen. Erst als älterer Pfarrer hab´ ich verstanden: Auch Evangelische brauchen Sichtbares und Spürbares für ihren Glauben. So will ich in dieser Passionswoche an vier Kreuzweg-Stationen anhalten.

Die erste Station ist: Jesus vor Pilatus. Und so stehe ich auf dem Binger Rochusberg, vor mir das Steinrelief zur ersten Kreuzweg-Station. Jesu Hände sind darauf locker gebunden, ein Wächter zoppelt ihn am Arm, aber es ist ein starker Jesus, der in der Bildmitte steht. Die Dornenkrone trägt er wie eine Königskrone. Er steht Jesus aufrecht, als größte Figur. Pilatus sitzt und wäscht seine Hände. Das Relief ist so anders als das Passionsbild, das ich im Kopf habe: Ich sehe vor allem den Schmerzensmann. In allen Evangelien wird Jesus gefoltert, trägt einen roten Mantel und eine Dornenkrone. Und wird ins Gesicht geschlagen und verspottet: Sei gegrüßt, König der Juden!

 

„Da kam Jesus, trug die Dornenkrone und das Purpurgewand.

Pilatus spricht: Seht, welch ein Mensch!“ 

 

Ecce homo! Im griechischen Urtext steht da einfach: Seht: der Mensch! Aber was meint Pilatus damit? So viel wie: Seht die Jammergestalt? Seht das arme Schwein! Denn dieser König ist eine Karikatur, er trägt zwar Krone und Purpurgewand,    aber die sind aus Stacheldraht und Lumpen. Schaut euch euren Judenkönig doch mal an! Nichts als eine lächerlich-harmlose Figur! … Vielleicht wollte Pilatus das sagen, angekommen ist etwas anderes. Später, als Christinnen und Christen diese Geschichte gehört haben. Dieser Gefolterte, diese Karikatur eines Königs, dieser da ist der Mensch, der elende und erniedrigte Mensch. Er ist einer von all den Erniedrigten, Gehassten und Gefolterten. Was all diesen Menschen auch heute geschieht, ist ihm geschehen. Dieser Verhöhnte und Gehasste - er ist der Mensch. Der Mensch schlechthin. Das hat Pilatus natürlich nicht gemeint. Und doch gesagt. Die Szene vor Pilatus verweist Christenmenschen     „auf die lange Reihe derjenigen, die dieser Christus repräsentiert - innerhalb und außerhalb der Kirche. Er ist hier ein zutiefst erniedrigter Mensch.“(1) Und doch behält dieser Erniedrigte insgeheim seine Würde. … Auch als er den berühmten, unauslotbaren Satz spricht:

 

„Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“

 

Das römische Reich ist von dieser Welt, Pontius Pilatus auch. Ein Zeitgenosse charakterisierte ihn als starrsinnig und unversöhnlich, als argwöhnisch und aufbrausend. Während seiner Amtsführung gab es          „Fälle von Bestechung, von Gewalttätigkeit und von Beraubung“(2), Misshandlungen, Einschüchterungen, Morde, unsagbare und außerordentlich schlimme Rohheit. Das ist Herrschaft von dieser Welt. Bis heute. Die Nachrichten erzählen jeden Tag Ähnliches. Christi Reich ist nicht von dieser Welt.

 

 „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten

und die Mächtigen ihnen Gewalt antun.

So soll es nicht sein unter euch;

sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener;

und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht,

so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse,

sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele.“

(Matthäus 20,25-28)

 

Das ist nicht von dieser Welt, wahrlich nicht von dieser. Es ist nicht die Gewalt, die die Welt im Innersten zusammenhält, auch nicht das Recht des Stärkeren. Sondern? Was ist Wahrheit? Er ist Weg, Wahrheit und Leben, er …, der empfahl, den ersten Stein nicht zu schmeißen, er, der sagt:

 

 „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid,

wenn ihr Liebe untereinander habt.“(3)

Was die Welt im Innersten zusammenhält? Dieses Gebot! Nicht die Panzer, mit denen ich mich umgebe, nicht die Waffen, mit denen ich mich zu schützen meine. Für ein heilsames Leben in dieser Welt braucht´s eine Wahrheit und eine Würde, die        so gar nicht von dieser Welt sind. Und Füße, die sich dahin auf den Weg machen, auch wenn es ein Kreuzweg ist.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

Literatur dieser Sendung:

  1. Klaus Wengst, Das Johannesevangelium, 2. Teilband, 235.
  2. Josephus zitiert nach Klaus Wengst, Das Johannesevangelium, 2. Teilband, 224.
  3. Jh 13,34
01.02.2023
Pfarrer Peter Oldenbruch