Müssen müssen

Morgenandacht
Müssen müssen
16.08.2021 - 06:35
10.08.2021
Petra Schulze
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„Sie kümmern sich gut um Ihre Krankheiten, aber nicht gut um sich selbst.“

Das sitzt.

Sie managt ihre Krankheiten genauso wie ihre Arbeit. Es gibt Einnahmetermine für Tabletten, klare Regeln fürs Essen. Dafür wieviel Bewegung an der frischen Luft wichtig ist und wieviel Physiotherapie. Bei der Arbeit gibt es Abgabetermine, Sitzungstermine, Liefertermine, Steuertermine… Und so weiter und so fort. Lässt sich alles regeln. Manches leichter, manches schwieriger.

Das hat sie im Griff. Das klappt. Darauf ist sie auch in bisschen stolz.

Kümmert sie sich mit all dem nicht schon genug um sich selbst? Sie sieht zu, dass sie möglichst gesund bleibt, dass ihre kleinen Einschränkungen nicht größer werden, dass die Arbeit läuft, genug Geld auf dem Konto ist….

„Sie kümmern sich nicht gut um sich selbst.“ Aber wie geht das, sich um sich selbst kümmern?

Klar, manche Krankheit kann durch Stress schlimmer werden. Sich ständig zu immer besseren Leistungen anzuspornen ist auch nicht gesund – es sei denn, man sorgt für ausreichenden Ausgleich.

Und der fehlt, das spürt sie. Manchmal ist ihre Freude wie weggewischt. In Großbuchstaben erscheint auf ihrem Spiegel morgens: Beeile Dich, Du musst… und dann der Blick in die To-do-Liste, die irgendwie immer länger wird… Und je älter sie wird desto mehr merkt sie: Ich krieg` die nicht mehr so schnell abgearbeitet wie früher. Manchmal ist sie so energielos. Ob ich auch schon kurz vorm Burnout bin? Oder gar schon reingerutscht? Fragt sie sich. Ihr Mann und die Kinder haben das Wort Burnout schon mal fallen lassen. Und jetzt dieser Satz der Ärztin. „Sie kümmern sich gut um Ihre Krankheiten, aber nicht gut um sich selbst.“ Was will sie damit sagen.

Ein Freund sagt: „Der ganze Friedhof ist voller Leute, die dachten, dass sie ´Müssen müssen´.

Ich „muss“ also mein „Müssen müssen“ loslassen, sagt sie sich. Aber die Formulierung „ich muss“ ist eben schon wieder ein „Muss“.

Der Freund sagt: „Sag doch mal statt `ich muss` `ich will` oder `ich tue` oder `ich kann` oder sogar `ich darf`‘… Versuch‘s mal. Da ändert sich sofort was in Deinem Gefühl.“

Irgendwie stimmt das. Doch das reicht nicht. So einfach kommt sie nicht raus aus ihrer Tretmühle. Wenn sie nur wüsste, was das heißt, sich gut um sich selbst kümmern.

Was ist denn dieses Selbst? „Ein Ich, das sich seiner selbst bewusst ist“, sagt ihr Lexikon. Wie weit bin ich mir meiner selbst bewusst? Kenne ich meine Stärken und Schwächen. Weiß ich, was mir guttut, was ich brauche, was mir nicht guttut, wovon ich mich distanzieren muss, wenn ich gesund bleiben will? Klar, Krankheiten haben viele Ursachen. Genetische, äußere Einflüsse – die seelische Komponente ist nur eine davon.

Sicher ist: Eine erschöpfte Seele und ein erschöpfter Körper schwächen die Abwehr. Also: sich um sich selbst kümmern. Da geht’s dann um viel mehr als um Gesundheit. Neulich bei der Konfirmation ihres Patenkindes hat ein Satz von dem Apostel Paulus sie mitten ins Herz getroffen – er hat ihn an eine Gemeinde geschrieben:

„Darum macht euch gegenseitig Mut und einer erbaue den andern, wie ihr es ja schon tut.“ (Erster Thessalonicher 5,11; Luther 2017 und BasisBibel)

Sich gegenseitig aufbauen. Statt sich fertig zu machen. Das geht ihr nicht aus dem Kopf. Die Ärztin hat den Anstoß gegeben. Sich aufbauen lassen und sich selbst aufbauen. Es geht darum zu schauen: Mit welchen Menschen umgebe ich mich. Bauen wir uns gegenseitig auf? Welche Aufgaben auf meiner To-do-Liste sind wirklich notwendig? Und welche fehlen. Die, die mich innerlich und äußerlich aufbauen. Erbaulichkeit – dieses uralte Wort bekommt plötzlich einen neuen Klang. Erbauliches in ihr Leben hineinholen. Sich mit aufbauenden Gedanken stärken. Öfter mal mit aufbauenden Menschen sprechen. Etwas unternehmen, das sie aufbaut, das ihr eine neue Ruhe und inneren Frieden verleiht. Innere Stärke und dann auch wieder einen klaren Blick auf alles scheinbare „Müssen müssen“.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

10.08.2021
Petra Schulze