Not muss erfinderisch machen

Morgenandacht

epd-bild/Udo Gottschalk/Udo Gottschalk

Not muss erfinderisch machen
mit Landespfarrerin Petra Schulze
02.04.2022 - 06:35
29.01.2022
Petra Schulze
Sendung zum Nachhören

Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage! 

Die Sendung zum Nachlesen: 

Iryna Shum:

Man kann sich zum Krieg nicht vorbereiten, es ist unmöglich. Und ich kann mich gut an diese Nacht erinnern von 23. auf 24. …

 

Sagt die ukrainische Generalkonsulin Iryna Shum aus Düsseldorf.

 

Iryna Shum:

Wir wussten, dass es später oder früher, früher oder später passiert. Aber es ist nie erwartet. (…) Auf dem Niveau des Gefühls, sage ich, dass man einfach plötzlich versteht das. Ja, es fängt an und man muss was tun, (…) um die Menschen zu schützen.

 

Von da an ist sie rund um die Uhr im Einsatz für ihre Landsleute, die vor dem Krieg nach Deutschland fliehen. In dieser Situation denkt sie auch an ihre Mutter in Kiew.

 

Iryna Shum:

Und plötzlich, als ich zwei Uhr morgens verstanden habe, dass der Angriff doch jetzt stattfindet, und ich hatte ein großes Angst und habe sie angerufen und habe gesagt: Bitte so schnell wie möglich, steigt ins Auto und fahrt nach Transkarpatien. Und den ganzen Tag habe ich sie auch telefonisch mit begleitet, weil es gab auch Beschüsse vom Norden, und wir hatten dann großes Angst, dass sie auch unter diese Beschüsse geraten.
Die Reise dauerte statt 8, 10 Stunden 24 Stunden, und das war der furchtbarste Tag meines Lebens. Den ganzen Tag werde ich für immer im Gedächtnis behalten.

 

Dass die Welt mit diesem Krieg in Europa eine andere geworden ist, das beginne ich erst langsam zu begreifen. Bis die Menschen vor dem Krieg in Sicherheit sind, ist es ein weiter Weg:

 

Iryna Shum:

Es gibt ein Krankenhaus in Kiew „Ochmadet“- wo auch die Kinder mit Krebserkrankungen behandelt werden. Und nach einigen Tagen des Krieges war es klar, dass sie keine Behandlung mehr bekommen können. Und den Eltern eines Kindes ist es gelungen, einen Platz irgendwo in Deutschland zu finden, in Bayern, und sie haben entschieden, das Kind dahin zu bringen. Und die anderen Eltern waren so verzweifelt, dass sie alle zusammen in ein Auto eingestiegen sind. Und da waren plötzlich fünf oder sechs krebskranke Kinder, die die ganze Zeit unterwegs waren. Und eine Koordinatorin hat mich über einige Kontakte (…) gefunden und hat mich angerufen und gesagt: Wir wissen nicht, was wir jetzt tun sollen, weil es ist überhaupt nicht dieselbe Situation, wie wir abgesprochen haben. Und dann hat mein Kollege eine Organisation gefunden, die gezielt mit den krebskranken Kinder zu tun hat. Und die haben alle fünf oder sechs Plätze in unterschiedlichen Kliniken organisiert. Das war ein Wunder. Und diese Koordinatorin hat einfach 15 Minuten geweint, als sie mich nachher angerufen hat. Deswegen meine ich: Das ist jetzt die Zeit, wo man ganz schnell und ganz kreativ, wenn man so sagen kann, handeln muss. Also, es ist nicht, nie geplant und deswegen ist es so wichtig, dass die Menschen so hilfsbereit hier sind.

 

Iryna Shum ist in der Ukraine mit dem griechisch-katholischen Glauben ihrer Großmutter aufgewachsen. Und heute, in dieser Zeit der schrecklichen Kriegsverbrechen, gibt es neben allem, was man an Hilfe organisieren kann, für sie auch diesen Punkt:

 

Iryna Shum:

…wenn da der Krieg ist und wenn unschuldige Menschen sterben, dann gibt es irgendwie einfach die Situation, wo du nichts machen kannst und einfach betest, damit das endlich zu Ende ist.

 

Und trotz dieser tiefen Verzweiflung, die mich auch packt in diesen Tagen, ist Iryna Shum nicht ohne Hoffnung. Sie hofft auf die Menschen in ihrem Land, in der Ukraine, die sich und ihre Häuser und Familien verteidigen. Und auf die Menschen hier, die helfen. Mit Geld, Wohnungsangeboten, Hilfslieferungen. Dafür ist die Ukrainerin zutiefst dankbar, persönlich und politisch. Ich bewundere Iryna Shum und so viele andere. Die nicht aufhören zu beten – und mit aller Kraft das zu tun, was getan werden muss und kann.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

29.01.2022
Petra Schulze