Sie gehören uns nicht

Morgenandacht

epd-bild/ Jens Schulze

Sie gehören uns nicht
Morgenandacht von Pfarrer Holger Treutmann
05.06.2024 - 06:35
25.03.2024
Pfarrer Holger Treutmann
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Die Sendung zum Nachlesen: 

Es war auf der Rückreise von der Ostsee. Am Ende des Urlaubs machten wir noch einmal Halt in Brandenburg. Ein Schlosshotel auf dem Land.

Beim Frühstück sind wir nicht allein. Soldaten der Bundeswehr haben ebenso dort Quartier gefunden. Sie sitzen da in Flecktarn und mit schweren Stiefeln, schon bereit zur Abfahrt, als ich mir den ersten Kaffee hole. Die Atmosphäre ist fröhlich, fast ausgelassen. Ihre Gespräche sind alltäglich. Es geht um Familie und Urlaub, die Kinder und ein paar technische Probleme an ihren Fahrzeugen.

Dann stehen sie gemeinsam auf und machen sich auf den Weg. Der Letzte, der den Raum verlässt, wünscht uns einen schönen Tag und geht, ohne dass wir unsere Wünsche für den Tag erwidern konnten.

Welche wären es denn auch gewesen? Frieden? Frohes Schaffen? Kommen Sie gut durch? Es ist Krieg nicht so weit entfernt von uns. Und die Bundeswehr ist Teil eines Bündnisses, das sich rüstet, auch konkrete Kriegshandlungen abzuwehren oder durchzuführen; in Auslandseinsätzen; zum Glück nicht in unserem eigenen Land.

Nie soll es vergessen sein, dass sich in Tarn-Uniformen Menschen befinden. Leute wie du und ich mit Lebensgeschichten, Angehörigen, Sehnsüchten, Hoffnungen für das eigene Leben.

Es gibt die Seelsorge in der Bundeswehr. Kirchliche Begleitung für die Menschen in der Armee. Krieg soll um Gottes Willen nicht sein. Und doch gibt es Konflikte, die ohne Gewalt oder Gewaltandrohung nicht zu lösen sind. Krieg kann nur das letzte Mittel sein und wird keinen Frieden bringen. Den gibt es erst in den Verhandlungen danach; oder noch besser davor.

Die Seelsorgerinnen und Seelsorger in der Bundeswehr sind frei in ihrer politischen Meinung. Sie entwickeln gemeinsam mit Soldatinnen und Soldaten, was das ethische Urteilsvermögen und das Gewissen schärft. Sie sind für die Menschen da, nicht für den Staat. Sie beten zu Gott und bitten um Frieden und Heilung an Leib und Seele.

Domini sumus – wir gehören Gott, dem Herrn. So steht es auf dem Emblem der Seelsorge in der Bundeswehr. Das ist ein kurzgefasstes Bibelzitat aus einem Brief des Paulus: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, ob wir leben oder sterben, sind wir des Herrn“, gehören wir Gott. (Römer 14,8)

Das ist ein nüchternes Bibelwort. Denn es ist ja so: Es geht um Leben und Tod, generell und erst recht im Krieg. Waffen werden entwickelt, um abzuwehren, aber auch um zu töten. Wer in der Bunderwehr arbeitet, wählt einen lebensgefährlichen Job und muss sich mit der Möglichkeit eines vorzeitigen Todes aussöhnen; auch zusammen mit den Angehörigen, Geliebten und Freunden.

Ob wir leben oder sterben – fast klingt es gleichgültig – wir bleiben in Gottes Hand, immer. Und doch bleibt der Schutz des Lebens, des eigenen und des der anderen, ein hohes Gut. Aber wenn wir sterben, bleiben wir - ob Soldatinnen oder Zivilisten - geborgen in der Ewigkeit bei Gott. Das ist mein Glaube.

Domini sumus – wir gehören dem Herrn. Dieser Satz aus der Bibel weist darüber hinaus jeden Anspruch des Staates gegenüber der Person zurück. Menschen in der Bundeswehr sind mehr als Uniformierte, über die der Staat frei verfügen dürfte. Sie bleiben eigene Persönlichkeiten mit eigener Verantwortung. Sie gehören nicht dem Staat. Sie sind letztlich ihrem eigenen Gewissen verantwortlich, und ich glaube auch Gott. Sie halten ihre Knochen, Leib und Seele für uns hin, aber wir haben keinen Anspruch auf diesen Dienst. Sie könnten auch anders. Sie gehören uns nicht.

Auf dem Hotelparkplatz steigen sie nach dem Frühstück in ihre Fahrzeuge. Mein Wunsch für die Soldatinnen und Soldaten: Hoffentlich müsst ihr nie ausüben, worauf ihr euch vorbereitet.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

25.03.2024
Pfarrer Holger Treutmann