Sehnsuchtsorte

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ Benjamin Behre

Sehnsuchtsorte
mit Steffen Madloch
20.11.2021 - 06:20
15.09.2021
Steffen Madloch
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Wie ich sie liebe, diese Momente: wenn ich ungestört meinen Gedanken freien Lauf lassen kann. Mich an Orte träume: wo ich jetzt gern gerade wäre. Einfach Augen zu, einmal aus- und eingeatmet – und schon hebe ich ab - zu meinem Sehnsuchtsort!

Eine kleine Insellandschaft, ein Berg mit einer unendlichen Fernsicht, eine Wiese am Fuße eines rauschenden Wasserfalls. Weite, Natur, Stille. Sehnsuchtsorte.

Diese Vorstellungen, dieses kurze Versenken in sie hinein verschafft mir wunderbare kleine Fluchten aus manchem finsteren Tal, schlägt Brücken in Wutgebirgen – an scharfen Klippen vorbei und stärkt auf Durststrecken. Ein Sehnsuchtsort zeigt mir mein Trostfeld, meinen Heimathafen, mein Hoffnungsbild.

Viele haben so einen Sehnsuchtsort; oder sogar mehrere.

Eine Freundin erzählte mir von ihrem Vater, der als junger Mann Kunstschmied werden wollte und dafür eine Lehre bei einem Meister seines Faches begann. Damals - in den 60-er Jahren in Ostberlin. Sehnsuchtsorte hatten damals Hochkonjunktur in einem eingemauerten Land. Seine Brigade war beauftragt, eine besondere Uhr im Herzen Berlins zu errichten. Sie steht bis heute – die Weltzeituhr am Alexanderplatz.

Sie enthält auf ihrer metallenen Rotunde die Namen von 146 Orten. Ein Blick auf die ganze Welt, die auf dem Fuß der Weltzeituhr in einer Weltkarte sichtbar wird.

„Und auf dieser Weltkarte“ – so erzählt es die Tochter, „da gibt es eine Insel, die auf keiner normalen Landkarte verzeichnet ist, gleich neben Mauritius. Diese Insel hat mein Vater hinzugefügt – es ist seine Insel.“

Was für eine starke Idee! Und ich merke: So eine Insel, die habe ich auch tief in mir drin – sie lockt mit Unbefangenheit, Freiheit, Klarheit und Liebe – ohne Umbrüche, Abbrüche – ohne Tränenströme und Frustburgen.

Sie lässt mich hoffen, dass es einen Ort gibt, wo alles stimmt, wo alles gut sein wird.

Ein Sehnsuchtsort ist ein Stück Ewigkeit in meiner oft engen Zeit, in meiner begrenzten Welt. Und was noch wunderbarer ist: Sehnsuchtsorte halten in mir eine tiefe Gewissheit wach – die von Gottes Perspektive für mein Leben und für diese Welt. Sie geht weit über mein Leben hinaus. Morgen ist Ewigkeitssonntag. Über den Gräbern gehen Sehnsuchtsorte auf. Was für ein Ausblick. Gott sei Dank!

Es gilt das gesprochene Wort.

15.09.2021
Steffen Madloch