Lebenstraum

Wort zum Tage
Lebenstraum
25.08.2020 - 06:20
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„Ein Traum, ein Traum ist unser Leben auf Erden hier.“ Ein Zitat, ein Satz, der gut auf eine hübsche Postkarte passen könnte. Aber alles andere als ein vielleicht etwas flacher Postkarten-Spruch. Johann Gottfried Herder hat das Leben als Traum bedichtet. „wie Schatten auf Wogen schweben und schwinden wir darin“. Schrieb er. Heute ist Johann Gottfried Herders Geburtstag. Kein runder; aber trotzdem diese Erinnerung. Sein kaum sechzig Jahre währendes Leben begann alles andere als traumhaft. Die Verhältnisse zu Hause waren sparsam bis karg. An Bildung sollte es aber nicht mangeln. Da setzten die Eltern viel ein. Reich war der junge Johann Gottfried an Neugier, Neugier auf Menschen, Wissenschaften, Sprache. Das Reisen durch viele Städte Europas öffnete dem jungen Mann die Welten innen wie außen. Unzufrieden war er mit der gewissen Einseitigkeit der Aufklärung([, wie Kant sie vertrat]). Als ob man alles mit Verstand ausleuchten könnte! Als ob alles nur nützlich sein müsste! Das Leben hat mehr Seiten.

Mit fast 30 Jahren traf Herder seine Traumfrau, Karoline Flachsland. Seine erste Leserin, Lektorin, Gesprächs- und Alltagspartnerin. Die Herders traten immer im Doppelpack auf - später in den Jahren in Weimar, wo Herder als Pfarrer bis zu seinem Tod im Dienst war. Ein Traum von einem Leben waren ihm die vielen Verpflichtungen dort nicht gerade. Obwohl er ziemlich beliebt war, fühlte er sich oft allein in all den Funktionen und Pflichten, die ihm öde schienen und ihn abhielten von dem, was ihm wirklich Leben bedeutete. Dann suchte er die freien Momente – im Spielen mit seinen Kindern oder in der Natur. Gott in der Schöpfung begegnen. In der Ruhe und im Weitblick - und damit auch wieder einen Zugang zu eigenem Gefühl, zur Intuition finden. Da waren für ihn die Augenblicke der Poesie, die ihm zum Gebet wurden. Wie zum Beispiel in solchen Zeilen: „Du Morgenstern, du Licht vom Licht, das durch die Finsternisse bricht...“ Das gab ihm den Blick frei für alles, was der Glaube kann: aufmuntern, trösten, dem Leben dienen. Denn oft genug zeigte sich das Leben auch von alptraumartiger Seite. Chronische Krankheiten taten das Ihre. Ich ahne, wie gerade sie die empfindsame Seele Herders erschöpften. Vermutlich starb er an der Folge zweier Herzinfarkte.

„Licht, Liebe, Leben“ steht auf seinem Grabstein. Haben wir das Licht, die Liebe und das Leben um uns gesehen und gespürt? Vieles an unserem Leben auf dieser Erde ist wie ein Traum, zieht, wie ein Schemen, ein Schatten, an uns vorbei. Doch Kein Tag soll an mir vorüberziehen, an dem ich das nicht wenigstens ein Mal frage: War ich bereit, das Licht, die Liebe und das Leben aufzunehmen und weiter zu geben?