Der Duft nach Ostern

Wort zum Tage
Der Duft nach Ostern
06.04.2021 - 06:20
31.03.2021
Barbara Manterfeld-Wormit
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Wonach riecht Ostern? Nach Frühling, der in der Luft liegt: leicht und luftig. Nach diesem unvergleichlichen Gemisch aus frischer Erde, zarten Knospen und lauen Winden. Ostern riecht nach Osterfrühstück: nach frischem Kaffee und Hefezopf, nach Rührei mit Baked Beans und Rostbratwürstchen. Ostern riecht nach Stärkung und Hoffnung. Es steckt Energie in diesem Fest und Bewegung. Selbst eine Pandemie kann diesen Duft nicht stoppen vertreiben. 

Doch wie war es damals - Ostern in Jerusalem? Dort waren die Nächte noch kühl, aber frost-frei. In der Morgenkühle liegt noch Tau. Es duftet nach Myrrhe. Drei Frauen gehen zu den Grä-bern. Müde und erschöpft sind sie, haben vor Kummer Tag und Nacht kein Auge zugemacht. Sie fühlen sich kraftlos. Wer trauert, dem ist nicht nach essen und trinken zumute. Dieser Ostermorgen schmeckt nach salzigen Tränen. Die Augen sind blind für das Licht und für die Schönheit der Natur, die grade zu blühen beginnt. Es ist, als wäre der Tod Jesu am Kreuz auch den Frauen in die Glieder gefahren. Drei verhuschte Gestalten auf dem Weg zum Grab. Ihn suchen sie bei den Toten – ihn, der ihrem Leben Kraft gegeben hat und Aufbruch. Ihr Seelen-verwandter, dem sie so nah waren, dass sie ihn förmlich auch im Tode noch spüren, ihn hören, noch riechen können.
Wenn Sie an Jesus denken, denken sie an Licht. An seine Hände, die so wunderbar segnen und heilen konnten. An seine Stimme, die so zuversichtlich klang und ihrem Leben Halt und Rich-tung gab. Noch haben sie den Duft nach frisch gebackenem Brot in der Nase, den Geschmack von Wein auf der Zunge. Brot des Lebens, hat er am Tisch zu ihnen gesagt. Und mit diesem Duft, mit jedem Bissen haben sie sich stärker gefühlt. Mutiger. So lebendig wie nie zuvor.

Ein alter Mann steht verloren in wilder Landschaft. Blätter rauschen, das Gras wogt hin und her – die Sonne blinzelt durch die Zweige. Der Mann nimmt einen tiefen Atemzug: „Das“, sagt er glücklich, „ist mein Seelengeruch.“ Der alte Mann ist der Kinderbuchautor Janosch. Gerade ist er neunzig geworden. Janosch steht da, wo er Kind war, in Oberschlesien. Heute lebt er auf Teneriffa. Von seinem Zuhause damals ist kaum noch etwas übrig – bis auf den unverkenn-baren Duft nach Heimat. Er steht für Einklang und für das Leben in seiner Fülle. Das ist der Duft von Ostern. Wir tragen ihn in uns. In Zeiten der Hoffnungslosigkeit kann er uns erinnern an die Fülle. Was ist ihr Seelengeruch?
 

Es gilt das gesprochene Wort.

31.03.2021
Barbara Manterfeld-Wormit