Der Versuchung zum Hass widerstehen

Wort zum Tage

Gemeinfrei via unsplash/ ev

Der Versuchung zum Hass widerstehen
mit Pfarrer Eberhard Hadem
27.08.2022 - 06:20
11.06.2022
Eberhard Hadem
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In dieser Woche haben mich die Psalmen mit Klage und Zorn, mit Rache- und Vergeltungswünschen beschäftigt. Manche meinen, Rachepsalmen gehörten gar nicht in die Bibel, sie würden zur Gewalt verführen oder sie rechtfertigen. Ich habe gewiss keine Sehnsucht nach solchen Psalmen. Doch ich verstehe sie so, dass Gott mir in ihnen meine Versuchung zum Hass zeigt. Und ich der eigenen Versuchbarkeit widerstehen lerne. Dem Kain wurde gesagt (Gen. 4,7): Die Sünde lauert vor der Tür und hat nach dir Verlangen. Du aber herrsche über sie. Das Böse überhaupt nicht zu erkennen, zum Hass nicht einmal versucht zu werden, kann einen stumpf oder naiv machen. Und wenn ich keine Ahnung habe, wohin mich der Hass treiben kann, wie kann ich dann von Versöhnung sprechen? ‚Sing nicht so schnell dein Versöhnungslied vom Frieden‘ möchte ich mir selbst und anderen sagen.

In einem Psalm der Bibel (Ps. 7, 9b.10a) heißt es: Schaffe mir Recht, Herr, nach meiner Gerechtigkeit und Unschuld! So sicher, wie der Betende seine Unschuld fühlt, so sicher ist er auch, wer seine Feinde sind und wie sie ihn zerstören wollen. Woher kennt er seine Feinde so gut? Was, wenn ‚die Feinde‘ Projektionen seiner eigenen Angst wären? Wenn das, was ihn bedrängt, nicht außen, sondern innen, in ihm selbst, wäre? Wenn ‚die Feinde‘ nur mit dem aufgeladen wären, was er selbst machen würde, wäre er stark oder schnell genug? Ich befürchte, dass es auch mir, einem machthungrigen, verängstigten Geschöpf, gefallen könnte, Gott zum Diener und Vollstrecker meiner Feindphantasien zu machen.

Mich überrascht, wie der Beter des Psalms dann einen Ausweg findet, bei dem Gott gerade nicht instrumentalisiert und missbraucht wird (Ps. 7, 7b.8): [Gott,] wache auf, mir zu helfen, der du Gericht verordnet hast, so werden die Völker sich um dich sammeln; und über ihnen kehre zurück in die Höhe!

‚Gott, erhebe dich wieder in deine Höhe! Lass dich nicht herunterziehen in unsere Feindphantasien‘. So verstehe ich die Bitte des Beters; und so kann ich sie mir zu eigen machen. ‚Nur von dort oben kannst du, Gott, die Opfer sehen, deren Würde im Staub liegt. Und die Schuld der Täter, die zum Himmel schreit.‘ Gott oben im Himmel zu sehen bedeutet, ihn nicht zum Vollstrecker meiner Vergeltungsphantasien zu machen. Gott freigeben in seine Weite und Unverfügbarkeit. Da ist noch etwas offen in den Psalmen, offen auch für mich. Ohne mich, ohne die Mühe, die ich mit mir selbst habe und die ich mir gebe, geht sie nicht, die Verwandlung durch den, der im Himmel thront. Und dennoch bleibt sie sein Geschenk. 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

11.06.2022
Eberhard Hadem