„Gottgefällige medizinische Technik“

Wort zum Tage
„Gottgefällige medizinische Technik“
20.08.2015 - 06:23
23.06.2015
Pastor Diederich Lüken

Eine chirurgische Operation ohne Narkose? Heute undenkbar. Aber bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war das die Regel. Das war natürlich so schmerzhaft, dass man nur sehr einfache Operationen durchführen konnte. Erst in den 40er Jahren des 19.Jahrhunderts gelangen die ersten Operationen unter der Narkose. Zunächst war ihre Anwendung höchst umstritten; vor allem in Deutschland gab es viele Ärzte, die die Narkose als Yankee-Erfindung, Windbeutelei und, so wörtlich, als „Verbrüderung mit der Quacklaberei“ bezeichneten.

 

So ist es kein Wunder, dass eine vornehme Dame etwas tat, was heute zumindest ungewöhnlich ist. Sie fragte vor ihrer Operation einen Pastor, ob die Narkose wohl mit dem christlichen Glauben vereinbar sei. Ihr Pastor war kein Geringerer als August Tholuck, Universitätsprediger in Halle. Er gab aus tiefster Überzeugung sein Einverständnis. In dem Augenblick aber betrat ein minder bedeutender Kollege den Raum, merkte, worüber gerade gesprochen wurde und widersprach seinem Vorredner mit den Worten: „Ach nein, gnädige Frau, was Gott schickt, muss man tragen.“ Tholuck schwieg dazu.

Nach einer Weile verließen die Theologen gemeinsam das Haus. Es fing an zu regnen, und Tholuck spannte seinen Schirm auf. Der Kollege wollte wie selbstverständlich den Schirm mitnutzen; aber Tholuck entzog ihm den und sagte: „Ach nein, lieber Bruder, was Gott schickt, muss man tragen.“ Sprach‘s und ließ den Kollegen im Regen stehen.

 

Diese Geschichte fiel mir ein, als ich danach gefragt wurde, ob die maschinelle Medizin wohl mit dem christlichen Glauben vereinbar wäre. Damit meinte mein Gesprächspartner die Dialyse, der ich mich alle drei Tage unterziehen muss. Meine entsprechenden Organe wurden während einer Krebserkrankung entfernt, sodass ich auf die lebenserhaltende Funktion der Dialyseapparate angewiesen bin. Selbst­verständlich glaube ich, so antwortete ich, dass es Gottes Wille ist, mein Leben zu erhalten. Martin Luther schreibt an seinen Freund Friedrich Myconius, als dieser ihm seinen Sterbewunsch in schwerer Krankheit mitteilt: „Gehab Dich wohl, mein lieber Friedrich, der Herr lasse mich nicht hören, dass Du gestorben bist, solange ich am Leben bin, sondern er lasse Dich mich überleben! Das bitte ich, das will ich, mein Wille geschehe, Amen.“ Diese stolzen Worte sollten dem Freund helfen, wieder gesund zu werden. Luther sprach sie aus im Namen Gottes. Und so geschieht es auch heute im Namen Gottes, wenn Menschen durch Apparate Hilfe bekommen, sei es durch einen Regenschirm, durch die Narkose oder durch den Dialyseapparat. Gott sei Dank!

23.06.2015
Pastor Diederich Lüken