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„Was ist eigentlich Ihr wichtigster Beitrag zum Christusbild?“ – „Der erweiterte Kunstbegriff. Ganz einfach.“
So antwortete der Künstler Joseph Beuys, der in diesem Jahr einhundert Jahre alt geworden wäre, auf eine Frage des Jesuitenpaters Friedhelm Mennekes. Und sorgte bei seinem Ge-sprächspartner für Verwunderung: Wie in aller Welt sollte das berühmte Beuys-Credo „Jeder Mensch ist ein Künstler“, das dem „erweiterten Kunstbegriff“ zugrunde liegt, mit dem Chris-tusbild zusammenhängen, ja ein „wichtiger Beitrag zum Christusbild“ sein?
Joseph Beuys war der Meinung, dass es Kunst vor allem mit Freiheit zu tun hat: Der Satz „Je-der Mensch ist ein Künstler“ bedeutet nicht mehr und nicht weniger als dass jeder Mensch ein Künstler sein könnte, wenn es ihm denn gelänge, seine in ihm angelegten individuellen Frei-heitskräfte, seine Schöpferkräfte, in Gang zu bringen. Jeder Mensch, der in diesem Sinne frei handelt, ist ein Künstler – und zwar nicht nur als Malerin, Bildhauer oder Musikerin, sondern auch als Bäckerin, Lehrer oder Pfarrerin.
Die Sache ist nämlich so: Das eigentliche Kunstwerk, um das es Joseph Beuys ging, sind nicht seine vielen Objekte, Bilder und Aktionen, sondern es ist die „Soziale Plastik“, die Gestalt einer bestimmten Gemeinschaft. Beuys wollte mit seiner Kunst an einer Gemeinschaft freier Individuen arbeiten. Und die wird nicht nur durch die traditionellen Künste, sondern durch jede Art von beruflicher Tätigkeit geprägt und gestaltet. Jeder Mensch, der in seinem Beruf andere Menschen dazu befähigt, frei zu handeln, arbeitet mit an der „Sozialen Plastik“, an einer Gemeinschaft der freien Individuen.
Das ist für Beuys der erweiterte Kunstbegriff. Und das ist für Beuys zugleich auch ein Chris-tusbild. Denn das vor allem wollte Christus: Eine Gemeinschaft von freien Menschen. „Jeder Mensch ist ein Künstler“ heißt dann „Jeder Mensch ist ein Christus“, sofern es ihm gelingt, seine ihr oder ihm eigenen Freiheitskräfte zu mobilisieren. Daraus entsteht eine Gemein-schaft freier Menschen – und ein Christusbild, das lebendiger nicht sein könnte.
Es gilt das gesprochene Wort.