Liebe auf allen Wegen

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ Olesya Grichina

Liebe auf allen Wegen
Große Worte – gegen den Krieg
11.03.2022 - 06:20
11.01.2022
Barbara Manterfeld-Wormit
Große Worte – gegen den Krieg
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Liebe auf allen Wegen – steht auf dem kleinen blank geputzten Messingschild auf der Parkbank. Es leuchtet in der Morgensonne und zieht mich magisch an: Für Erna und Friedrich lese ich: Für Erna und Friedrich zum 65. Hochzeitstag. Was für ein wunderbares Geschenk. Vermutlich von den Kindern oder Enkeln. Vielleicht von Freunden, die für das treue Liebespaar zusammengelegt haben. Eine gestiftete Bank – ich sehe die beiden da sitzen in der Sonne, Händchen haltend und sich wärmend, zufrieden und glücklich, dankbar für den langen gemeinsamen Weg. Was für ein Geschenk, so etwas zu schaffen: 65 Jahre verheiratet und dabei Liebe auf allen Wegen.

Was für große Worte in dieser Zeit. Sie klingen auch nach Sehnsucht und Wehmut, wo doch jetzt dieses eine Wort Krieg so groß ist – groß bleiben wird vermutlich noch lange. Wie viele Paare sind gerade in diesem Augenblick getrennt voneinander, weil die Männer im Krieg sind und die Frauen in Angst auf der Suche nach Schutz vor Raketen oder auf der Flucht. Wie viele Menschen sind jetzt auf dem Weg der Verzweiflung, der Wut und des Hasses unterwegs – von Liebe keine Spur? Auf welchen Wegen werden wir künftig unterwegs sein? Wenn die erste Welle der Hilfsbereitschaft der Ernüchterung und Überforderung weicht?

Liebe auf allen Wegen – das bleibt auch ein Wunsch. Ich denke an Erna und Friedrich – die Namen stammen aus einer vergangenen Zeit. Ich überschlage kurz, wie alt die beiden wohl sein mögen: bestimmt Mitte achtzig, wenn nicht neunzig. Vielleicht leben beide gar nicht mehr. In jedem Fall haben sie den Krieg erlebt. Jung waren sie da. Es waren bestimmt alles andere als rosige Zeiten. Sie werden dieses Motto auf der Parkbank da in der Sonne auch später nicht immer durchgehalten haben: Liebe auf allen Wegen – im Kleinen wie im Großen. Kein Mensch hält das durch. Die Passionszeit, durch die wir gerade gehen, erzählt davon, wie selbst Jesus darum ringen musste, an dieser Liebe festzuhalten – auch im Leiden, auch im Tod dieses Motto: Liebe auf allen Wegen.

Erna und Friedrich haben es nicht aus den Augen verloren. Deshalb steht es da. Auf einem goldenen Messingschild auf einer Bank in einem öffentlichen Park, damit jeder Mann und jede Frau und jedes Kind es im Vorbeigehen lesen kann. Damit man sich kurz setzen und ausruhen kann. Und sich dabei an diese Verheißung erinnern: Liebe auf allen Wegen.          

Es gilt das gesprochene Wort.

11.01.2022
Barbara Manterfeld-Wormit