Masken

Wort zum Tage
Masken
12.02.2021 - 06:20
04.02.2021
Pastor Diederich Lüken
Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

Als Kind habe ich Masken gehasst; mehr noch: Ich habe mich vor ihnen gefürchtet. Jedes Jahr aufs Neue kamen zum Geburtstag Martin Luthers maskierte Gestalten zu uns ins Haus und brummten ein Liedchen. Dafür bekamen sie dann eine Kleinigkeit zum Naschen. Das ist in Ostfriesland Brauch. Alle vergnügten sich dabei und hatten Spaß an den manchmal abenteuerlichen Verkleidungen. Nur ich verkroch mich tief unter dem Sofa. Mir schlotterten vor Angst die Knie. Man unternahm viele Versuche, mich zu heilen von der Prosoponophobie – das ist das Fachwort für diese seelische Verwirrung. Auf dem Höhepunkt dieser Versuche setzte man mir eine Maske auf und ließ mich in einen Spiegel gucken. Ich durchschaute zwar das Manöver, aber ich dachte: Ich werde es euch schon zeigen! und schrie wie am Spieß. Alle weiteren Versuche, mich von meiner Maskenfurcht zu heilen, schlugen fehl. Erst mit der Zeit überwand ich diese Furcht. Heute begrüße ich sogar die Masken, die wir anlegen wegen der Corona-Krise. Aber die verdecken ja auch die Augen nicht; an denen kann man oft sehr genau sehen, wie es um den Menschen steht, der einem gegenübersitzt.

Schwieriger ist es allerdings mit den unsichtbaren Masken. Durch seine Worte, sein Benehmen und seine Handlungen versucht manch einer, sein wahres Gesicht zu verbergen. Mit den Kollegen in einem Gasthaus gibt er ein relativ großes Trinkgeld, um vor ihnen zu glänzen. Zuhause dreht er jeden Cent um und tyrannisiert damit seine Frau und seine Kinder.  Nach außen hin ist er wahrheitsliebend, verdreht aber im Kreise seiner Familie jedes Wort in sein Gegenteil. Manch einer gilt als friedfertig, wenn Frieden gefordert wird, ist im Inneren aber voller Wut. Manchmal nimmt das Tragen einer unsichtbaren Maske Züge an, die krankhaft zu sein scheinen. Dazu gehört eine derart übersteigerte Egozentrik, dass sie die Züge von Größenwahn annimmt. Da bemerkt der Schriftsteller Arthur Schnitzler klarsichtig: „Was uns als Größenwahn erscheint, ist nicht immer eine Geisteskrankheit. Oft genug ist es nur die Maske eines Menschen, der an sich selbst verzweifelt.“

Doch muss keiner an sich selbst verzweifeln, denke ich. Wie auch immer der Mensch hinter der Maske aussieht: Er wird geliebt. Von dem, der größer ist als unser Herz und alle Dinge erkennt [1.Joh 3,19]. Zwar durchschaut Gott jede Maskierung und sieht den Menschen dahinter so, wie er ist. Er kennt seine Wahrheit und auch seine Angst vor der Wahrheit, die Angst, sein Leben zu verfehlen. Er verwirft den Maskenträger jedoch nicht, sondern nimmt den Menschen, der sich dahinter verbirgt, mit Freuden an.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

04.02.2021
Pastor Diederich Lüken