Schuldenerlass

Wort zum Tage
Schuldenerlass
27.04.2015 - 06:23
30.03.2015
Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit

Stellen Sie sich vor, sie bekommen eines Tages Post von der Bank. Der aktuelle Kontostand macht Sie sprachlos. Erst recht die Nachricht am Ende des Schreibens: Man freue sich, Sie nunmehr bereits im siebten Jahr als Kunde zu haben. Aus diesem Grunde gebe es heute ein Geschenk: wie in jedem siebten Jahr einen Schuldenerlass!

 

Stellen Sie sich vor, sie lebten damals im Alten Israel, in einem Agrarland. Sie haben Pech und gehören nicht zu den Reichen, sondern zu den Armen - ohne Land, ohne Bildung und Besitz. Sie leben auch nicht als freier Mensch, sondern als Sklave. Und im siebten Jahr kommt der große Schuldenerlass. Neue Chancen, neues Glück. Der Herr kommt und lässt sie frei, ja mehr noch: Er gibt ihnen ein Startkapital. So wie es in der Bibel steht: „Und wenn du ihn frei gibst, sollst du ihn nicht mit leeren Händen von dir gehen lassen, sondern du sollst ihm aufladen von deinen Schafen, von deiner Tenne, von deiner Kelter, so dass du gibst von dem, womit dich der Herr, dein Gott, gesegnet hat.“

 

Stellen Sie sich vor, heute in einem Monat treffen wie geplant die G7 Finanzminister zusammen, um gemeinsam über einen Ausweg aus der europäischen Schuldenkrise zu beraten. Am Ende treten Alle vor die Kameras und verkünden einen Schuldenerlass. Neue Chancen, neues Glück – auch für die Griechen. Alexis Tsipras jubelt. Die Menschen in Athen auch. Ein Aufschrei geht dagegen durch alle europäischen Mitgliedsstaaten.

 

Wäre das so verrückt? Sonntag für Sonntag beten Christen in der Kirche mit der fünften Bitte des Vaterunsers: „Und vergib uns unsere Schuld – wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!“

 

Wir denken dabei an Streit und Verletzung. Ursprünglich war damit allerdings tatsächlich zuerst die ökonomische Schuld gemeint: handfeste materielle Schulden und deren Erlass durch den Gläubiger ohne Wenn und Aber. Verrückt, aber nicht unmöglich. Zu biblischen Zeiten gab es das sogenannte „Erlassjahr. Es war kein verflixtes siebtes, sondern ein „Jubeljahr“, in dem bestehende Schulden einfach ausradiert und Menschen aus der Knechtschaft in die Freiheit entlassen wurden. Zurück auf Null, damit die Schere zwischen Arm und Reich nicht immer weiter auseinander klaffte. Ein wichtiger Beitrag zum sozialen Frieden und gesellschaftlicher Stabilität. Begründet wurde dieser Erlass mit der Rückbesinnung auf das, was einem selber im Leben geschenkt wurde: „so dass du gibst von dem, womit dich der Herr, dein Gott, gesegnet hat!“

 

Keiner weiß,  ob diese Praxis des Schuldenerlasses konsequent geübt wurde und wie lange sie anhielt. Auch damals werden Menschen – allen voran die Gläubiger - gedacht haben: Ich bin doch nicht verrückt!

 

Was wäre, wenn…? Ja, es wäre verrückt, verrückt, großzügig– und ein Zeichen der Dankbarkeit für ein gesegnetes Leben im Wohlstand.

30.03.2015
Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit