Das Wort zum Sonntag: "Kultur des Sonntags"

Das Wort zum Sonntag: "Kultur des Sonntags"
Pfarrer Michael Broch
06.08.2011 - 22:40

Oft gehe ich daran vorbei, an dem riesigen Fuhrpark und den großen Lagerhallen. Werktags ist hier "action pur", da wird etwas umgesetzt. Ein Brummi nach dem anderen fährt ab und kommt an. Und am Sonntag: alles steht still, eine wohltuende Ruhe.

Bei uns ist der Sonntag noch geschützt. Doch dieser Schutz ist immer mehr gefährdet. Selbstverständlich müssen viele auch Sonntags arbeiten: in Krankenhäusern und in der Gastronomie, bei Bahn und Polizei, in den Medien. Und natürlich wird auch in der Kirche Sonntags gearbeitet. Immer öfter und lauter aber wird gedrängt, auch an Sonntagen die Geschäfte zu öffnen, die Produktion in Fabriken weiterlaufen zu lassen, wie an den anderen Tagen der Woche.

Und dann? – Dann gibt es keinen Sonntag mehr, sondern nur noch Werktage. In einer Familie hat dann die Mutter montags frei, der Vater mittwochs, die Tochter freitags und der Sohn tatsächlich sonntags. Das zerstört jede Gemeinschaft. Und wann feiern wir den runden Geburtstag, Taufe und Erstkommunion, Konfirmation und Firmung, Hochzeit – wenn es keinen gemeinsamen freien Tag, keinen Sonntag mehr gibt?

Wir wären nur noch "Leistungssklaven". (Simone Langendörfer) Und das hält auf Dauer kein Mensch aus, keine Familie, auch keine Gesellschaft. Das "Burnout-Syndrom" – körperlich und seelisch ausgebrannt sein – dieses "Burnout-Syndrom" würde nicht nur einzelne erfassen, sondern könnte irgendwann die ganze Gesellschaft treffen.

Woher kommt denn die Idee, den Sonntag zu schützen? – "Achte auf den Sabbat – halte ihn heilig!" (Deuteronomium 5,12) Das ist das vierte der "Zehn Gebote". Das ist kein Befehl, sondern Gottes Geschenk an uns. Und eine der größten sozialen Errungenschaften, die wir dem Volk Israel verdanken. Und was beinhaltet die Sabbat-Tradition im Alten Testament?

Gewährt Mensch und Tier, Natur und Acker die nötige Ruhe, heißt es da. Gedenkt der Befreiung aus der Sklaverei. Darum sollt auch ihr frei sein und euch nicht selbst versklaven, zum Beispiel durch pausenloses Arbeiten, durch "Leistungssklaverei".

Für die Christen bekommt dieser Tag noch eine zusätzliche Bedeutung. Sie feiern in ihren Gottesdiensten den Sonntag als Tag der Auferstehung Jesu vom Tod. Als Tag der Zuversicht und der Hoffnung. Und er ist gedacht als Tag der Ruhe und der Besinnung.

Unser Gemeinwesen ist nicht nur Supermarkt, Vergnügungszentrum oder Sportpark. Leben ist mehr. "Wirtschaftsstandort Deutschland" - die Kirchen erinnern daran, dass dabei der "Menschlichkeitsstandort Deutschland" nicht übersehen wird. (Paul M. Zulehner)

Übrigens, das deutsche Wort "Kirche" hat seine Wurzeln im Griechischen: "kyriaki" – und das bedeutet ursprünglich: die "Stille Gottes". Darum heißt es am Sonntag für mich auch: still werden vor Gott. Und so auftanken an Leib und Seele.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag!