Das Wort zum Sonntag: "Was ist Dir heilig?"

Das Wort zum Sonntag: "Was ist Dir heilig?"
Pastor Gereon Alter
01.11.2014 - 23:35

„Denen ist doch gar nichts mehr heilig.“ – Wie oft fällt dieser Satz, wenn mal wieder Menschenrechte mit Füßen getreten werden, alles der Profitgier unterworfen wird oder blinde Zerstörungswut um sich greift? „Denen ist doch gar nichts mehr heilig.“

 

Aber bevor wir mit dem Finger auf andere zeigen: Wie steht es denn um uns selbst? Ist uns noch etwas heilig? – Ich meine nicht das Nickerchen am Sonntagnachmittag, die Sportschau oder den Kaffee am Morgen. Ich meine auch nicht Familie, Freunde, Kinder … all die Dinge, bei denen wir uns schnell einig sind, dass sie gut und schützenswert sind. Ich meine etwas, das uns so viel bedeutet, dass wir in jedem Fall dazu stehen würden. Etwas Unantastbares, etwas Unverfügbares.

                         

Was ist Dir heilig? Wofür würdest Du Dich einsetzen, selbst wenn Du Hunderte gegen Dich hättest? Was würdest Du um keinen Preis der Welt verraten? – Je mehr ich über diese Fragen nachdenke, umso zurückhaltender werde ich. Denn wie oft bin ich schon zurück gewichen. Wie oft schon der Mehrheitsmeinung gefolgt. Wie oft schon schwach geworden und eingeknickt.

 

In der Bibel steht: „Niemand ist heilig, außer Gott.“ (1 Sam 2,2). Gemeint ist: Das Vollkommene, das „Heilige“, nach dem wir uns sehnen, das bringen wir nicht aus uns selbst hervor. Das übersteigt uns, das ist größer als wir. Und umgekehrt: Alles, was wir Menschen tun, steht immer auch in der Gefahr zu scheitern und zu misslingen.

 

Für die Generation unserer Großeltern war diese Einsicht so selbstverständlich, dass sie sie ins Grundgesetz geschrieben haben. Da ist von der „Verantwortung vor Gott“ die Rede. Nicht weil wir so mutig, stark und unbestechlich sind, sondern weil wir eine Verantwortung vor Gott haben, ist uns die Würde des Menschen heilig, achten wir die Freiheit des Gewissens, schützen wir das Recht auf freie Meinungsäußerung.

 

Der Kieler Landtag hat sich jüngst für eine Landesverfassung ohne einen solchen Gottesbezug entschieden. Es brauche keinen Verweis auf etwas Höheres, hieß es. Es genüge, wenn jeder Verantwortung für sich selbst übernehme. Ich finde das bedenklich. Denn zeigt nicht unsere Erfahrung, dass wir uns übernehmen, wenn wir Menschen uns zum Maß aller Dinge machen? Und hat nicht die Geschichte gezeigt, dass das im Letzten fürchterliche Konsequenzen haben kann: Hitler, Stalin, Idi Amin, Pol Pot  … sie alle meinten nur sich selbst verantwortlich zu sein.

 

Und wie ist es gerade jetzt mit den selbsternannten Kalifen im Nahen Osten? Immer mehr Jugendliche auch aus Deutschland laufen ihnen nach. Viele, weil sie sich nach etwas Größerem sehnen, das sie hier bei uns offenbar nicht finden. Wie wäre es, wir böten ihnen eine Alternative an? Und wenn es nur die Frage ist: „Was ist dir heilig?“ Allein diese Frage wach zu halten, scheint mir viel Unheil verhindern zu können und weitaus mehr zu bewirken als das ständige Lamentieren darüber, was anderen nicht mehr heilig ist.

 

Was ist Dir heilig? Was ist größer als Du und als jeder andere Mensch? Wofür lohnt sich Dein Einsatz wirklich? – Mich lassen diese Fragen nicht in Ruhe.

 

Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag.