20 Jahre Sternkirche - Erinnerungen aus der Gemeinde

20 Jahre Sternkirche - Erinnerungen aus der Gemeinde

Im Jahr 1977 erhielten wir vom Bund Evangelischer Kirchen in der DDR die Möglichkeit, ein eigenes Gemeindezentrum errichtet zu bekommen. Innerhalb des Programms "Kirchen für neue Städte“ würde dies ein Valutabau plus Eigenleistung in Mark DDR werden. Wir beschritten einen langen Weg, der 12 Jahre dauern sollte. – Heute gedenken wir dankbar des ganzen Weges, den der Herr uns geleitet hat.


Die staatlichen Stellen waren verpflichtet, einen Bauplatz für die Kirche auszuweisen. Doch: Wo konnte dieser sein? Das Wohngebiet war längst verplant und bis auf einige "Vorbehaltsflächen" für Handel und gesellschaftliche Einrichtungen auch bebaut. Es wurde bald deutlich, dass die Stadtplankommission der Kirche einen möglichst ungünstigen Platz in Randlage geben wollte. So dauerten denn Bauplatzsuche und Verhandlungen darüber über 2 Jahre!

 

Auf verborgenen Wegen gelangt der Bauplan in die Gemeinde

1978 bildete sich der gemeindliche Bauausschuss, in dem eine Kriterienliste für Standort und Projektierung erarbeitet wurde. Eine Gruppe von 30-40 Leuten erklärte sich bereit, bei Arbeitseinsätzen im Eigenleistungsprogramm tätig zu sein. Und monatlich kam ein kleiner Kreis von Männern zusammen, die für Fortgang und Gelingen des Bauvorhabens beteten. Auf einem bis heute verborgenen Wege gelangte eine Lichtpause des ganzen Aufbaugebietes des Wohngebiets "Am Stern" in unsere Hände. Auf diesem Plan waren auch die noch offenen Flächen ausgewiesen. Diese konnten wir nun nach unserer Kriterienliste bewerten und einen für uns optimalen Bauplatz ausfindig machen.


Unsere Entscheidung hielten wir aber geheim. Wir befürchteten, dass die staatlichen Stellen uns dann den Platz verweigert hätten, wenn sie von unserer Wahl Kenntnis hätten. Und das bedeutete: abwarten und alle untauglichen Angebote ablehnen, bis nur noch unsere gewünschte Stelle als letztes Angebot übrig blieb: Dobrowolskistraße – Ecke Schäferfeld. Am 4. November 1982 beschloss der Gemeindekirchenrat (GKR) den Aufbau der Sternkirche an diesem Standort mit einem Raumbereich zur Mitnutzung durch die katholische Kirchengemeinde Babelsberg.

 

Wartezeit um Kirchbauten in der ganzen Republik zu besichtigen

Unser Bauvorhaben war beim Kirchlichen Bauamt in die zweite Projektphase eingeordnet worden. So ergab sich für uns eine Zeitspanne von drei bis vier Jahren bis zum möglichen Baubeginn. Diese Zeit nutzten die Leute vom Bauausschuss, sich bei Reisen in der Republik auch Bauten aus der ersten Aufbaurunde anzusehen und Vor- und Nachteile der Projekte zu bewerten. Solche Kirchbauten gab es beispielsweise in Wismar, Schwerin, Stralsund, Eisenhüttenstadt, Berlin, Magdeburg, Dresden, Jena, Leipzig…

 

Die Ergebnisse dieser Erkundungen flossen in unsere Anforderungsliste für die Gestaltung der Sternkirche ein, als Grundlage für unsere Gespräche mit unserem Architekten, Herrn Horst Goebel, Berlin. Viele unserer Vorstellungen konnten realisiert werden. Aber nicht alle. In der Wartezeit konnten wir auch mit Eigenleistungen in der zukünftigen Freifläche beginnen: Eine Doppelgarage mit zwei Abstellräumen, zunächst als Bauleitungseinrichtung für den VEB Stadtbau gedacht.

 

Das Wunder der Ziegelspenden

Am 3. November 1984 schufen Männer unserer "Eigenleistungsbrigade“ die Fundamente für das kleine Gebäude. Das war endlich ein Anfang auf dem Bauplatz. Die Kosten wurden durch Spenden aus der Gemeinde bestritten. Dabei erlebten wir wieder ein kleines Wunder: Nach Berechnung von Menge und Kosten der benötigten Hochlochziegel wurde die Gemeinde zu Weihnachten 1984 – als Weihnachtsgeschenk – um Ziegelspenden gebeten. Ein Ziegelstein kostete etwa 37 Pfennige. Manche schenkten der Gemeinde zehn, manche 50, manche 100 Steine. Im Februar 1985 kam die Rechnung von der Baustoffversorgung: Der Markbetrag stimmte genau mit dem Ziegelspendenaufkommen überein!


Am 1. Dezember 1985 begann der VEB Stadtbau endlich mit dem ersten Bauabschnitt: Aufbau der Wohnhäuser. Sie wurden im November 1987 bezugsfähig. Am zweiten Osterfeiertag, 20. April 1987 war die feierliche Grundsteinlegung der Sternkirche. Auf der Gründungsurkunde wurde Mt. 2,10 zitiert: “Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus.”

 

Am Baugerüst leuchtet ein Herrnhuter Stern

Am 27. Oktober 1987 wurde das Richtfest gefeiert. Ein großer Herrnhuter Stern leuchtete von da an vom Baugerüst über unsere Baustelle. Unser Kirchbau brachte auch für das ganze Wohngebiet eine wundersame Fügung. Die ursprünglich vorgesehene Schwimmhalle war aus Kostengründen auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Als nun sichtbar war, dass es im Wohngebiet eine Kirche gibt, setzten die Vertreter der städtischen Organe im Wohngebiet auch den Bau einer Schwimmhalle an der Newtonstraße durch, nach dem Motto: Wenn Kirche, dann auch Schwimmhalle.

 

Im Bauablauf gab es dann sogar einen Wettlauf, was eher fertig würde. Aber am 15. November 1988 ereilte uns das gleiche Schicksal, wie viele Gesellschafts- und auch militärische Bauvorhaben in der DDR: Die Regierung verfügte einen Baustopp und lenkte alle Baukapazitäten in den Wohnungsbau, denn die SED hatte versprochen, dass 1990 jeder Bürger seine eigene Wohnung bekommen könne. Die Sternkirche war zu 95 Prozent fertig, musste im Winter 88/89 auch beheizt werden, um Schäden zu vermeiden. Uns wurde deutlich: Kirchbau in neuen Städten in der DDR bedeutet auch Teilhabe am Wohl und Wehe der sozialistischen Öffentlichkeit. Der Baustopp war bis zum Herbst 1989 wirksam. Bis Dezember 1989 wurde der Bau zur Abnahme durch den Bund Evangelischer Kirchen fertiggestellt. Am Samstag, 2. Januar 1990 feierten wir dankbar – und auch ziemlich erschöpft – die Kirchweihe. Das war vor mehr als 20 Jahren!

 

“Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.” Psalm 103,1

 

Jochen Jeutner und Eberhard Gollmer