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Die Sendung zum Nachlesen:
Es ist eine der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte: Zu sehen ist das Innere einer Fabrik. Schneller und schneller drehen sich riesige Zahnräder. Die Arbeiter am Fließband kommen kaum nach. Einer von ihnen, der Kleinste, kann bei dem Rhythmus nicht mithalten, er hängt hinterher. Schließlich stürzt er auf das Fließband und gerät in das gewaltige Räderwerk. Ein Klassiker der Filmgeschichte: Charly Chaplin schlängelt sich durch das Innere einer riesigen Maschine.
"Moderne Zeiten" heißt der Film, der 1936 uraufgeführt wurde. Ein Film in Schwarzweiß. Es ist kein Stummfilm mehr, denn zu hören sind die Geräusche der Maschinen und die Anordnungen des Direktors, die Maschinen schneller und schneller laufen zu lasen. Ratternde Motoren, mahlende Walzen, gnadenlose Fließbänder und ein brüllender Chef - und ein kleiner Mensch mittendrin…
Drama oder Komödie? Auf jeden Fall war der Film damals eine Zeitkritik. Damals verstand man den Film „Moderne Zeiten“ als Kritik an der zunehmenden Industrialisierung. Heute könnte man die Geschichte auch anders verstehen: So wie Charly Chaplin in die Mahlräder gerät, klagen manche über die Lasten, die wir zu tragen haben: Was sind das für schwere Jahre. Erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine. Und die vielen persönlichen Lasten haben wir ja auch noch zu tragen. Ohne dass wir etwas tun können, geraten wir in ein Mahlwerk, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt.
Wie ein Kontrapunkt zu dieser Maschinerie der Lasten und zum Film „Moderne Zeiten“ klingt ein Gleichnis, das Jesus im Lukasevangelium erzählt: Das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat. „Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst.“
Wieviel Ruhe strahlen diese wenigen Worte aus. Hier gerät niemand in ein ratterndes Räderwerk aus Lasten und Sorgen. Vielmehr geschieht etwas im Verborgenen, und zwar während der Mensch „schläft und aufsteht, Nacht und Tag“. Diese Reihenfolge ist bedeutsam. Wir schlafen also zuerst in den neuen Tag hinein, bevor wir ausgeruht aufstehen und an die Arbeit gehen. Dies hat mit dem biblischen Verständnis von Zeit zu tun: Ein neuer Tag beginnt nicht etwa um Mitternacht oder erst in den Morgenstunden mit dem ersten Licht. Ein neuer Tag beginnt bereits mit der Abenddämmerung. Aus dem (Feier-)Abend und der Ruhe der Nacht erwächst geradezu in langer Dunkelheit ein neuer Tag – so wie ein grüner Halm aus einem dunklen Acker.
Das Gleichnis Jesu von der selbstwachsenden Saat ist übrigens ein „Stummfilm“. Der Mann auf dem Acker spricht nicht, wörtliche Rede ist nicht überliefert. Es gibt kaum Handlung. Zu sehen ist lediglich ein Mensch, der wie in Zeitlupe über den Acker geht und Samen ausstreut. Nur im Verborgenen, erst in der Erde geschieht etwas, in der Stille der Nacht und ohne sein Zutun.
Die Sorgen dieser Welt einmal bewusst unterbrechen und heraustreten aus der Maschinerie, die uns so oft in die Mangel nimmt: Manchen gelingt das – auch in schwierigen Zeiten – bei einem schönen Spaziergang, anderen mit einem Stoßgebet. Solche und andere schöne Momente werden zur inneren „Einkehr“ und lassen uns gestärkt in den Alltag mit seinen Herausforderungen zurückkehren. Soziologen und Psychologen nennen solche innere Stärke „Resilienz“. Und die kann man sogar ganz bewusst einüben.
Charly Chaplin, der im Film „Moderne Zeiten“ von der riesigen Maschine durch die Mangel gedreht wird, entkommt schließlich dem gefährlichen Räderwerk. Und kaum hat er wieder festen Boden unter den Füßen, stoppt er die Maschine und bringt die gesamte Fabrik zum Stillstand. In dem Moment, in dem er sich aus der Maschine befreit, wird er ein neuer Mensch. Und der kleine Mann verlässt die riesige Fabrik mit ihren stillgelegten Maschinen – und tänzelnd und lachend geht er neuen Herausforderungen entgegen. Natürlich mit Spazierstock und Melone.
Es gilt das gesprochene Wort.