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Die Sendung zum Nachlesen:
Mein Freund nimmt es genau mit der Umwelt. Er sorgt sich um die Zukunft und versucht deshalb, alles richtig zu machen, soweit es ihm möglich ist. Für kurze Strecken hat er sich ein Elektroauto gekauft, und zur Arbeit fährt er mit dem Fahrrad. Bei der Ernährung schaut er auf Regionalität und Umweltverträglichkeit. Sein ökologischer Fußabdruck müsste gut aussehen, wenn da nicht eine Kleinigkeit wäre: Er reist so gerne.
Nun war er im Urlaub in Mauritius – Eine eindrucksvolle Insel und ein großes Erlebnis, für das er lange gespart hatte. Elf Stunden dauert der Flug, die Menge an CO2, die dabei ausgestoßen wird, variiert je nach Berechnungsart und wird unterschiedlich angegeben. Die Klima-Kollekte, ein Kompensationsfonds christlicher Kirchen, gibt für den Flug viereinhalb Tonnen Co2 an. Auf das Auto umgerechnet könnte man dafür 24.000 Kilometer fahren.
Da kann man schon ein schlechtes Gewissen bekommen. Mein Freund hat deshalb für Abhilfe gesorgt und eine Ausgleichszahlung vorgenommen. Für seinen Flug nach Mauritius zahlte er 111 Euro. Mit dem Geld wird dann ein Umwelt-Projekt in einem Entwicklungsland unterstützt oder es werden CO2 Zertifikate gekauft.
Es gibt viele Angebote, in solcher Weise einen Ausgleich zu schaffen. Und zugleich wird damit das schlechte Gewissen reingewaschen. Kompensationsmöglichkeiten sind bestimmt sinnvoll, auch wenn nicht immer klar ist, welche Projekte damit konkret unterstützt werden.
Aber mich beschäftigt eine andere Frage: Sind solche Ausgleichzahlungen nicht eine Art moderner Ablasshandel? Und wie war das damals – Anfang des 16. Jahrhunderts - mit dem Ablass? Warum hat Martin Luther so heftig dagegen protestiert, warum war er von dem Ablasshandel dermaßen verärgert, dass daraus sogar eine neue religiöse Gruppierung entstand: Die Protestanten!
Das Freisprechen von Sündenstrafen gegen Geld – Martin Luther klagte diesen Handel vor allem deshalb an, weil aus dem schlechten Gewissen der Menschen ein Geschäft gemacht wurde. Damals waren es die Ängste der Menschen vor der Hölle, sie wurden benutzt, um sie zu klingender Münze zu machen. Der Kirche warf Luther deshalb vor, sie würde auch noch den ärmsten Menschen Geld aus der Tasche ziehen, um sich zu bereichern.
Der Ablass war also eine Art Ausgleichszahlung. Und die betraf ja nicht nur das schlechte Gewissen. Selbst wenn jemand etwas wirklich Schwerwiegendes getan hatte, konnte er gegen Zahlung einer bestimmten Summe frei von aller Schuld und Strafe werden und mit einem gereinigten Gewissen wieder in den Spiegel schauen.
Auch bei den CO2-Bepreisungen heute geht es um Ausgleichszahlungen. Ebenso versuchen Unternehmen und Firmen, mit green-washing ihren Produkten ein grüneres Image zu verschaffen. Oft genug, ohne dass es eine hinreichende Grundlage dafür gäbe, dafür aber einen höheren Preis. Auch das soll das schlechte Gewissen beruhigen und den Umsatz steigern. Der Vergleich mit dem Ablasshandel liegt durchaus nahe.
Nun ist es grundsätzlich ja nicht schlecht, Geld zu zahlen für die Bewahrung der Umwelt. Problematisch wird es erst dann, wenn ich das tue, um mein Gewissen zu beruhigen. Martin Luther hat an die Stelle des Ablasses ein Bewusstsein von Reue gestellt. Denn nur wer seine Handlung wirklich bereut ist auch bereit, sein Verhalten zu ändern. Begriffe wie Reue und Buße klingen etwas angestaubt: Aber genau diese Einsicht ist nötig, um nicht weiter Schäden für die Umwelt zu verursachen. Ein Ablasshandel allein verspricht mir ein gutes Gewissen und kompensiert vielleicht Umweltschäden, ändert aber nichts daran. Anders als mein Freund das versucht mit Fahrrad, Elektroauto und bewusstem Lebensmittelkauf.
Immanuel Kant hat das Gewissen einmal als „inneren Gerichtshof“ bezeichnet. Für ihn war es eine Art göttliche Instanz. Deshalb war der Ablasshandel für Martin Luther so schlimm, weil durch Geld die innere Stimme Gottes zum Schweigen gebracht wurde. Das Gewissen zum Schweigen bringen – das kann auch heute nicht gut sein, selbst wenn das Geld einem guten Zweck dient.
Es gilt das gesprochene Wort.
Literatur dieser Sendung:
- Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten