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Die Sendung zum Nachlesen:
Kindern aus schwierigen Verhältnissen kann Großartiges gelingen. Dafür steht ein Mann, mit dem Kenner geniale technische Konstruktionen verbinden und elegante Autos: Wilhelm Maybach. Er war einer der großen Pioniere der Mobilität Ende des neuzehnten, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Aber er hatte dazu nur die Chance, weil es Menschen gab, die seine Not als Kind gesehen und ihn gefördert haben.
Anfangs deutete nichts auf eine Karriere hin. Als Wilhelm Maybach zehn Jahre alt war, annoncierten Verwandte von ihm im Stuttgarter Anzeiger (1): „Bitte an edle Menschenfreunde für 5 vater- und mutterlose Knaben... Die Mutter dieser 5 Waisen starb vor 3 Jahren, und der Vater fand kürzlich seinen Tod in einem See...; da sie nun gar keine Mittel zu ihrer Erhaltung haben..., so ergeht... die herzliche Bitte an wohltätige Menschen, sich der armen Kinder...anzunehmen. Auch die kleinste Gabe ist willkommen.“ Wilhelm Maybach war der zweite der verwaisten fünf Brüder. Der schwäbische Pfarrer Gustav Werner las die Anzeige und kümmerte sich. Er hatte in Württemberg sogenannte Rettungsanstalten für Arme, Waise und Kranke gegründet. Er bot Perspektiven für an, die von der Gesellschaft abgeschrieben waren. Die kaum jemand wahrnahm. Für ihn war es die dringende Aufgabe gerade von Christen, Menschen zu helfen, sich gut zu bilden. Ein Mensch soll das entfalten, was in ihm steckt. Pfarrer Werner war der Ansicht: Nur so kann jemand, so wörtlich, „göttliche Tugenden“ ausüben. Also die Gaben entfalten, die Gott in jede und jeden gelegt hat. Und damit Gutes für sich und andere wirken. Daraus leitete er das Recht jedes Menschen ab, ausgebildet zu werden und arbeiten zu dürfen. Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts bildeten normale Betriebe kaum aus, vor allem aus Kostengründen (2). Werner gründete sogenannte „christliche Fabriken“, damit Jugendliche zu einer Ausbildung kamen. Das war revolutionär.
Heute gibt es zwar viele Ausbildungsplätze. Aber zu viele bleiben unbesetzt. Pro Jahr gehen rund 50.000 Jugendliche ohne Abschluss ab (3). Das ist nicht nur für jeden persönlich ein Hindernis fürs Fortkommen. Sondern auch für die Gesellschaft, die Fachkräfte braucht.
Damals nahm Gustav Werner den zehnjährigen Wilhelm in seine Anstalt auf. Heimerziehung hat zurzeit einen negativen Beiklang. Zu Recht, aufgrund schwerer Verfehlungen in Heimen bis vor wenigen Jahrzehnten. Wilhelm Maybach hat aber gute Erfahrungen machen können. Er war sein Leben lang dankbar für die Jahre im Heim und erzählte, wieviel Fürsorge er bekam und Freunde fand.
Pfarrer Werner hatte offenbar einen Blick, was in einem Menschen steckte. Er ließ Maybach nicht wie vorgesehen Bäcker lernen, sondern zum technischen Zeichner ausbilden. In seiner Reutlinger Fabrik begegneten sich dann zwei, die die Welt verändern würden: Wilhelm Maybach traf Gottlieb Daimler. Die Geschichte zweier genialer Konstrukteure begann. Sie ergänzten sich ideal und entwickelten einen Benzinmotor, das erste Motorrad und dann die Automobile. Maybach wurde „König der Konstrukteure“ genannt und „Vater des Mercedes“.
Noch heute hat in Deutschland die soziale Herkunft zu viel Einfluss auf die Bildungschancen eines Kindes. Deshalb sind die Ideen aktuell, die Gustav Werner gefordert und vorgelebt hat: Alle haben ein Recht darauf, ihre Fähigkeiten zu entfalten und gut ausgebildet zu werden. Und wer weiß, welche geniale Erfindung für die Zukunft damit möglich wird.
Es gilt das gesprochene Wort.
Literatur dieser Sendung:
- Quelle Zitate und Lebensstationen: Hartmut Zweigle: Herrschen mög' in unserm Kreise Liebe und Gerechtigkeit. Gustav Werner – Leben und Werk. Stuttgart 2009
- Geschichte der Berufsbildung, Zeitschrift des Bundesinstituts für Berufsbildung 42 Jg, 2013; file:///C:/Users/doerken/Downloads/BWP-2013-H3.pdf
- https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/jugendliche-ohne-abschluss-101.html