Guten Abend. Es geht um das Gute. Die rund 2800 Sportlerinnen und Sportler, die sich seit Donnerstag in Sotschi den Wettkämpfen stellen, verpflichten sich dem olympischen Ideal. In der Olympischen Charta lese ich von der „Harmonie von Geist, Körper und Wille“. Von der „Förderung einer friedlichen Gesellschaft, die der Wahrung der Menschenwürde verpflichtet ist“.
Es geht um das Gute. Und wir wissen gleichzeitig, dass für die olympischen Winterspiele Natur zerstört wurde, dass Geld und Prestige eine große Rolle spielen und dass freie Meinungsäußerung zum Beispiel über Homosexualität in Russland nicht erlaubt ist. Und das, obwohl die Olympische Charta ganz klar und deutlich etwas anderes sagt.
Wir wissen, die Wirklichkeit sieht anders aus und trotzdem träumen wir Menschen davon, dass diese großen Begriffe Gerechtigkeit und Frieden nicht nur leeres Gerede, sondern Wirklichkeit sind. Egal, um welchen Lebensbereich es sich handelt – Politik, Religion oder eben: Sport. Wir wünschen uns, dass wer Sport treibt oder als Christ lebt, nicht nur die eigene sondern auch die Würde der anderen Menschen respektiert. Aber immer wieder scheitern wir an der Umsetzung. Ob im Sport oder auch in den Kirchen. Wir sehnen uns nach dem Paradies, und sehen zugleich die bittere Wahrheit, dass die IOC Funktionäre nicht mit den Sportlern zusammen im olympischen Dorf leben sondern in Luxus-Hotels. Nichts von Gleichheit. Übrigens auch in den Kirchen nicht.
Überall das Gleiche also. Gerade die, die hohe Ideale vor sich hertragen, scheitern selbst daran. Wäre es daher nicht ehrlicher, Sport einfach nur Sport sein zu lassen und auf die hohen Ideale von Olympia zu verzichten? Ist es nötig über Naturzerstörung und Homosexualität zu diskutieren, wenn es eigentlich um Eiskunstlauf und Skispringen geht?
Ja, es ist nötig. Weil Olympia sonst hinter seinen Ansprüchen zurückbleibt und wir selbst unseren Traum von einer besseren, gerechteren Welt begraben. Oft passiert das ja: Viele resignieren an der Realität, werden bitter. Ich merke, dass mir an dieser Stelle meine christliche Perspektive auf die Welt wichtig ist. Ich bin überzeugt: Wir dürfen uns nicht einfach mit diesem Graben zwischen Ideal und Wirklichkeit zufrieden geben. Die Zumutung des christlichen Glaubens lautet: Eine gerechte Welt ist möglich. Wir können schon jetzt etwas davon spüren. Gott verheißt uns eine Welt, in der es weder Leid noch Unterdrückung geben wird. Davon erzählt die Bibel. Das ist ja ein Buch voller Geschichten über Träumer und Visionäre. Menschen also, die von dieser ganz neuen Realität schon etwas geschmeckt haben und sich deshalb nicht mit dem Status Quo abfinden
Was also können wir tun? Die olympischen Winterspiele haben grad begonnen. Fiebern wir mit den Sportlerinnen und Sportlern, jubeln wir über hoffentlich zahlreiche Medaillen für das deutsche Team und lassen wir uns zugleich nicht den Mund verbieten. Reden wir über das, was nicht stimmt. Lassen wir uns unseren Traum von einer gerechten Welt nicht kaputt machen. – und die Freude am Sport auch nicht. Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.
Norddeutscher Rundfunk
Eberhard Kügler