Morgenandacht
Eine Dusche genießen
23.02.2015 05:35

Am Morgen zu duschen – wie herrlich das ist!

 

Nicht duschen zu können, tagelang nur Katzenwäsche - das ist eine Qual. Wenn Sie schon einmal einen Arm in Gips oder den Rücken angeknackst hatten, dann wissen Sie, was ich meine. Ich habe das vor ein paar Wochen erlebt, als ich im Krankenhaus lag. Eine Wasserschüssel und ein Waschlappen waren der ganze Luxus am Morgen und am Abend - selbst beim Zähneputzen. Vielleicht geht es manchem von Ihnen auch gerade so. Und ich weiß: ganz viele Menschen in Flüchtlingslagern und Wüstenlandschaften würden sich freuen über einen Brunnen in der Nähe mit genug Wasser, um wenigstens eine Kanne voll über Kopf und Körper fließen zu lassen. Wie viele Menschen müssen Wasser erst mühsam herbeischaffen, in einer Schüssel auffangen um es ganz sparsam zu verwenden. Ich weiß, wie privilegiert wir in Europa sind und wie kostbar das Wasser ist.

 

Aber nun die wunderbare Erfahrung, wieder duschen zu können. Ich stehe wie unter einem Wasserfall und höre das Rauschen um mich herum. Ganz eingehüllt bin ich in den warmen Nebel. Vom Kopf bis zu den Zehen. Und ich spüre mit allen Sinnen, wie das Wasser auf den ganzen Körper prasselt.  Was für ein Genuss. Ich richte mich auf und strecke den Kopf dem Wasser entgehen. Rieche den erfrischen Duft von Orangen, der mich jetzt umgibt. Und bewege die Zehen im Wasser, das sich am Boden gesammelt hat. Selten habe ich so sehr gespürt, wie mein Körper sich nach Wasser sehnt, wie er sich im Wasser belebt.

 

Manche Menschen singen unter der Dusche - wahrscheinlich nicht nur, weil da niemand zuhört, sondern auch, weil man da so gut atmen kann, so viel Freiheit spürt. Ich erinnere mich, dass ich selbst eine Zeitlang unter der Dusche gesungen habe - keine Schlager, sondern Choräle, die ich auswendig kenne. „Befiehl Du Deine Wege“ und „ Du meine Seele, singe“ zum Beispiel. Es war nach dem plötzlichen Tod meines Vaters vor einigen Jahren. In den ersten Tagen schien mir alles weh zu tun- Herzschmerzen, Brustenge. Das Wasser weitete meine Lungen und ich konnte singen. Die Choräle aber verbanden mich mit meinem verstorbenen Vater und mit allen, mit denen ich sie zusammen gesungen hatte. In der Familie und in den Gemeinden. Und ich fühlte mich geschützt, belebt, getragen.

 

Es schien, als gäben diese Lieder und Texte meiner Seele Kraft wie das Wasser meinem Körper. Nie ist mir das Bibelwort vom lebendigen Wasser so einleuchtend gewesen wie in dieser Zeit. „Wer an mich glaubt“, sagt Jesus, „von dessen Leib werden Ströme des lebendigen Wassers fließen“[1]  Ich denke darüber nach, wenn ich morgens unter der Dusche stehe. Jesus spricht vom Heiligen Geist -  von der Kraft, die Geist und Seele belebt, auf die das Herz so antwortet wie der Körper mit allen Zellen auf das Wasser. Der Heilige Geist lässt auftanken und aufatmen, er macht die Seele weit und öffnet neue Horizonte. Die Ruach, wie es in der hebräischen Bibel heißt, heilt inneren Wunden und Verletzungen. Sie hüllt in Gottes Liebe ein.

 

Es war wohl der achte Tag des jüdischen Laubhüttenfestes, als Jesus diese Worte sagte. An diesem Tag füllte der Hohepriester den goldenen Krug an der Quelle Siloa, er brachte ihn in den Tempel und goss das Wasser am Altar aus. Das Quellwasser wurde zum Lebenswasser. Daran wird Jesus gedacht haben. Ganz sicher aber sind Jesu Gedanken auch weiter zurück gegangen in die Zeit, als Israel durch die Wüste zog und wie durch ein Wunder Wasser aus einem Felsen sprang. Ein Wasserfall in der Wüste. Leben und Hoffnung für alle, die Angst vor dem Verdursten hatten.

 

„Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen“, sagt Jesus. Ja, Durst nach Leben wird gestellt -  aber es soll noch mehr passieren: wir können für andere zu einer Quelle der Hoffnung werden. Für Kranke, die ihr Bett nicht verlassen können. Für die Menschen in den Flüchtlingslagern im Nahen Osten, die kaum zu essen und zu trinken haben. Wer schon einmal voller Sehnsucht nach Leben, wer fast ohne Hoffnung war, der weiß, was ich meine.

 

 

[1] Johannes 7, 38