Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ Anandu Vinod
Wie geht Veränderung?
Morgenandacht von Pastorin Cornelia Coenen-Marx
21.05.2024 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Mit einem Knall springt das Fenster auf und ein kühler, scharfer Wind weht ins Zimmer. Er klemmt die Gardine im Fensterrahmen ein und fegt die Papiere vom Schreibtisch. Ich bücke mich, um sie aufzuheben, aber noch ehe ich es recht begreife, fängt es draußen an zu schütten. Als ich zum Fenster zurückkomme, ist schon alles durchnässt, was auf der Fensterbank lag. Mein Notizbuch, das Handy. Beim Schließen des Fensters sehe ich, dass der Himmel, der eben noch blau war, fast schwarz ist. Alles von einem zum anderen Moment. Ich jedenfalls habe das nicht kommen sehen. Ich ziehe die Jacke über, mir ist kalt.

Es gibt diese Stürme, die alles durcheinanderwirbeln. Weil niemand mit ihnen gerechnet hat. Auch die Pfingstgeschichte in der Bibel erzählt davon. Da lese ich: „Es geschah ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus“, in dem die Freunde Jesu saßen (Apostelgeschichte 2). Das Brausen kündigt eine Veränderung an, die alle Sinne und die ganze Wirklichkeit ergreift: das Wetter, die Menschen, das Miteinander. Wo eben noch Angst und Trauer waren, beginnt ein neuer Aufbruch. Wo Stillstand war, wächst eine neue, weltumspannende Bewegung.

Manche waren dabei, als 1989 die Mauer fiel und Menschen aus Ost und West einander in den Armen lagen. Und wenig später beim großen Konzert am Brandenburger Tor. Wenn ich daran denke, höre ich die Scorpions mit dem „Wind of Change“ – obwohl sie den Song damals in Russland gespielt haben, nicht in Berlin.  Heute scheint das alles weit weg. Die Euphorie von damals ist verflogen. Das Gefühl, ein Wunder zu erleben, längst unter dem Schutt des Alltags begraben.

Schließlich erleben wir einen neuen Sturm, der an anderen Gewissheiten rüttelt. Kriege und Krisen, die unsere Ordnung in Frage stellen. Die Mauer ist gefallen, aber es wurden neue errichtet. Gefängnistore haben sich geöffnet, aber längst wurden neue Kerker für politische Gefangene gebaut. Verglichen mit dem, was wir gerade erleben, klingt „Wind of Change“ geradezu sanft und leise wie ein Wiegenlied, das unter Donner und Sturm verweht.

Wenn die Bibel von den großen, den umstürzenden Veränderungen erzählt, spielt die Natur immer mit: Als die Israeliten aus Ägypten befreit werden, bildet das rote Meer eine Gasse. Die Wellen bleiben stehen, damit das Volk trockenen Fußes durchkommt. Als Jesus gekreuzigt wird, gibt es ein großes Erdbeben. Alles wird erschüttert, bis in die Tiefe – und die Erde gibt ihre Toten frei. Was da geschieht, verändert alles – auch die Vergangenheit. So kommt auch Pfingsten mit Sturm und Feuer und schafft eine neue Welt, ein neues Verstehen.

Das mag vielen heute fremd erscheinen. Aber manche kennen die Erfahrung, dass alles, was geschieht, zum Zeichen wird. Der gebrochene Staudamm, die Überflutung des Tals, das Feuer in der Feriensiedlung - genauso wie die blühenden Mandelzweige im Frühling. Man muss nur richtig hinsehen. Meist tun wir das nicht. Der Sturm trifft uns so überraschend, weil wir zu selten innehalten - weil wir nicht wirklich wahrnehmen, was ist.

Die Freunde Jesu damals haben es wahrgenommen: das große Brausen, den Sturm der Veränderung und die Feuerflammen, die jeden von ihnen erleuchteten. Sie haben gespürt, wie sie innerlich Mut fassten, sich aufrichteten. Wie sich auch in ihnen etwas veränderte. Vielleicht, weil sie so lange in der Stille gesessen, weil sie die Trauer ertragen hatten. Und weil sie auf Gottes Geist warteten, den Geist der Veränderung. In der Stille vor dem Sturm, wenn sich etwas Neues ankündigt, muss man bereit sein zuzuhören – und dann Mut fassen zum Handeln.

Ich glaube, darum geht es gerade wieder. „Da hat sich etwas verschoben“, sagen manche. Oder „wir sind an einem Kipppunkt“. „Etwas muss sich gründlich ändern.“ Aber statt genau hinzusehen, streitet man erbittert über das Wie. Pfingsten ist keine Geschichte von gestern. Pfingsten geschieht immer wieder. Die Bibel erzählt davon, damit wir uns vorstellen können, wie Veränderung geht. Es geht darum, dem Geist Gottes Raum zu geben, damit wir einander verstehen.

Es gilt das gesprochene Wort.