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Konfi-Unterricht vor mehr als 50 Jahren. Es geht um die Seligpreisungen, die wir lernen sollen. Von allem, was ich gelernt habe, sind sie mir besonders in Erinnerung: Beeindruckend und verwirrend zugleich. Was da steht, passt so gar nicht zu meinen Alltagserfahrungen: Hungernde Kinder in Afrika, Familien in Armut hierzulande, Klassenkameradinnen, die gemobbt werden… Aber es passt zu Jesus, der keine Angst hat, Leprakranke zu berühren und die Kinder, die damals nichts gelten, auf den Schoss nimmt. Das lässt seine Worte leuchten.
Von allen Seligpreisungen ist mir die letzte besonders in Erinnerung. „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes willen.“
Manche in der Konfi-Gruppe kannten das: Beschimpft werden, ausgeschlossen, gemobbt. Und mein Eindruck war: Der Pastor kannte es auch- gerade diese Seligpreisung schien ihm besonders wichtig. In der Nazi-Zeit war er ein junger Soldat gewesen. Er sprach nicht darüber, aber er wollte uns offenbar etwas mitgeben von seiner Erfahrung. Eine Art Schutzmantel für schreckliche Augenblicke.
Diese Woche habe ich wieder daran gedacht. Am Montag jährte sich der Militärputsch in Chile zum 50. Mail. Am 11. September 1973 putschte General Augusto Pinochet mit Unterstützung des CIA gegen die frei gewählte sozialistische Regierung von Salvador Allende. Jetzt zum Jubiläum kamen Tausende in Santiago de Chile zusammen. Sie legten Blumen vor dem Regierungsgebäude an der Statue von Salvador Allende nieder. Performance-Künstlerinnen färbten das Wasser dutzender Brunnen mit roter Farbe. Die meisten aber sammelten sich im Stadion, das damals zum Gefangenlager wurde Und bei Sonnenuntergang wurden Kerzen angezündet, um an die Toten zu erinnern. Nunca Más – „Nie wieder“ war auf vielen Transparenten zu lesen.
17 Jahre Militärdiktatur folgten auf den Putsch- mit über 40.000 Opfern von Folter und Verfolgung und mehr als 3.000 Toten. Über tausend Menschen sind bis heute verschwunden. Tausende flohen ins Ausland. Das Militär verfolgte Linke, Gewerkschaftsmitglieder, Studierende und auch Kirchenmitglieder. Das Beeindruckende für mich: Nicht nur Basisgemeinden und Befreiungstheologen – nein, Chiles ganze Kirche stand ohne Wenn und Aber auf der Seite der Opfer. Und die Frauen und Männer vom kirchlichen Menschenrechtsbüro um Kardinal Henriques haben Tausenden das Leben gerettet.
Die Villa Grimaldi war seit 1974 Zentrale des Geheimdienstes. Eine zauberhafte Jugendstilvilla mitten in einem blühenden Park. 4000 Menschen wurden hier mit verbundenen Augen gefangen gehalten und gequält. Manche können noch erzählen von der Elektrofolter in den Zellen, dem Eisbad im Swimmingpool, der beängstigenden Informationspolitik des Geheimdienstes.
„Selig seid Ihr, wenn Euch die Menschen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles über Euch – Euer Lohn im Himmel wird groß sein.“ Die letzte der Seligpreisungen Jesu. Bewahrheitet sich diese Zusage? Hat sie geholfen? Ich weiß es nicht – ich kann es nur hoffen. Aber was ich weiß: Die Gewissheit, nicht allein zu sein, hat Mut gemacht, gegen das Unrecht aufzustehen.
Und ich weiß: Diese mutigen Menschen sind bis heute nicht vergessen. In der katholischen Kirche gibt es die Tradition der Seligsprechung. Unter deren Seligen sind leider viel zu wenig Frauen, zu wenig Laien und zu wenig Schwarze. Und die lateinamerikanischen Befreiungstheologen wurden in der Kirche lange zum Schweigen verurteilt. Aber ich glaube, sie stehen in Gottes goldenem Buch. Die Gemeinschaft der Glaubenden hat sie ja längst seliggesprochen Denn viele wissen, was sie denen zu verdanken haben, die ohne Wenn und Aber zu ihren Überzeugungen standen und dafür einen hohen Preis bezahlten.
Man merkt es, wenn jemand mit seinem Glauben auf die Probe gestellt wurde. So war es wohl auch bei meinem Pastor im Konfi-Unterricht. Als er uns die letzte Seligpreisung nahebrachte, war da ein Leuchten. Die Stunde damals hat mir Mut gemacht, zu dem zu stehen, was mir wichtig ist - auch gegen Widerstände.
Es gilt das gesprochene Wort.