Wenigstens für einen Kurzurlaub hat es bei mir diesen Sommer gereicht – am Strand sitzen, den weiten Horizont genießen, abschalten. Direkt neben mir krochen drei Kinder herum. Sie hatten sich am ganzen Körper mit Sand bestrichen. Ihre Bewegungen waren absolut professionell. Sie wussten, wie man so nah am Boden kriecht, dass man kaum zu sehen ist. Die drei bauten auch keine Sandburgen wie die anderen Kinder. Es waren Flüchtlingskinder.
Sie spielten das einzige, was sie kannten: Krieg. Auch im Urlaub, ob am Strand oder vorbei an den Flüchtlingsslums vor dem Eurotunnel nach England ist es nicht zu verdrängen – immer mehr Menschen suchen Zuflucht bei uns. Vielen wird das zuviel und sie äußern das mittlerweile auch ganz unverhohlen. Das Internet ist voll von Hasstiraden. Fast täglich werden Anschläge auf Flüchtlingsheime verübt. Manche fühlen sich regelrecht bedroht.
Wie Willkommensaktionen helfen
Europa verändert sich und ja, es wird sich weiter verändern, auch wenn das etlichen nicht passt. Zeltdörfer in unseren Städten, überfüllte Unterkünfte. Menschen verschiedener Kulturen und Religionen leben auf engstem Raum nebeneinander. Dass dies zu neuen Konflikten führt, liegt auf der Hand. Gerade deshalb brauchen wir neue Regelungen. Toll finde ich aber, wie viele Kirchengemeinden, Privatinitiativen und Kommunen größte Anstrengungen unternehmen um die, die bei uns zu Gast sind, auch wie Gäste zu behandeln.
Sie geben nicht nur das ab, was sie sowieso nicht mehr brauchen: alte Kleidung oder Fahrräder. Sie teilen etwas von dem, was ihnen privat wichtig ist: Die eigene Wohnung, das eigene Leben. So wie die Frau, die bei uns in Hildesheim Flüchtlingen Deutsch beibringt, aber auch mit ihnen in gemeinnützigen Projekten in der Stadt mithilft. Wenn man nämlich einen Tag lang gemeinsam Unkraut jätet, wird spürbar: Der da ist nicht nur einfach ein Flüchtling, namenlos und austauschbar. Er ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, der sich nach seiner Heimat sehnt, in der er mit dem Tod bedroht ist.
Solche Willkommensaktionen sind wichtig. Sie sind der einzige Weg, nicht gegeneinander sondern miteinander die Zukunft Europas zu gestalten. Fremde aufnehmen, die das Gewohnte durcheinanderbringen: Niemand behauptet, dass das einfach ist. Das wissen die, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben, am besten. Noch vor wenigen Jahrzehnten sind wir Deutschen nur deshalb wieder auf die Füße gekommen, weil wir auf die Barmherzigkeit und Unterstützung anderer zählen konnten. Und das trotz unserer Kriegsschuld! Dass nun ausgerechnet wir, die wir selbst millionenfach Flüchtlinge und Vertriebene waren, niemanden mehr aufnehmen wollen, kann einfach nicht sein!
Ja, die Flüchtlingsströme verändern unser Land. Aber wenn wir ernstnehmen, dass Europa im Kern von christlichen Grundwerten geprägt ist, gibt es keine Alternative zur Gastfreundschaft. Christen müssen sich entschieden gegen die wenden, die das Gift der Fremdenfeindlichkeit verbreiten – im Freundeskreis, im Internet und auf der Straße. Denn Jesus gibt eine ganz einfache Antwort auf die Frage, wie wir den Willen Gottes erfüllen können: "Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen.Was ihr einem von meinen geringsten Brüdern und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan."
Norddeutscher Rundfunk
Redaktion: Eberhard Kügler (NDR)