Morgenandacht
Von der Dreieinigkeit (1)
20.10.2015 06:35

Schon in den ersten Jahrhunderten nach Christus wurde entschieden, dass Gott auf dreierlei Weise ein Du ist. Die Theologen haben sich viele Gedanken darum gemacht, wie man das Geheimnis, dass Gott in Jesus Mensch wurde, in Worte fassen könnte. Entscheidend für sie war dabei der Begriff der ‚Person‘: Gott als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist. Manche meinen deshalb, die Christen würden an drei Götter oder an drei göttliche Personen nebeneinander glauben. Aber was heute unter Person verstanden wird, unterscheidet sich von der Vorstellungswelt der Griechen und Römer damals.

 

Die antike Vorstellung zeigt das griechische Theater: während der Aufführung hielten sich die Schauspieler Masken vor ihr Gesicht. Daran erkannten die Zuschauer, in welcher Rolle die Schauspieler sprachen. Die Masken nannte man prosopon – auf Deutsch: Gesicht. Wenn Zeus sich in einen Stier verwandelte um die schöne Prinzessin Europa nach Kreta zu bringen, hielt der Schauspieler, der den Zeus spielte, eine entsprechende Maske vor sich. Sie sollte beim Zuschauer eine Ahnung und ein Gefühl für die Person hervorrufen, die sie darstellt. Nach der Aufführung unterhielten sich die Theaterbesucher über das, was sie gesehen hatten. Und wenn sie darüber in Streit gerieten, ob der listige Zeus nicht doch beinahe wie ein Stier ausgesehen habe, dann war der Schauspieler, der den Zeus gespielt hatte, mächtig stolz. Denn er hatte es geschafft, ein Gesicht von etwas, die Ahnung von der Gottheit hervorzurufen.

 

Wer das Originalbild der ‚Mona Lisa‘ im Museum Louvre in Paris betrachtet hat, kann etwas Ähnliches spüren: dass ihr Antlitz ein ‚Gesicht von etwas‘ ist. Es ruft etwas hervor, ohne dass man genau sagen kann, was es ist. Warum lächelt Mona Lisa? An ihr wird etwas sichtbar, zu Gesicht gebracht. Im Betrachter soll etwas zum Klingen gebracht werden. Bis heute reizt es viele Menschen, ihr Geheimnis zu verstehen. Doch es bleibt offen, worin genau es besteht.

 

Aus dem griechischen Wort prosopon für die Maske oder das Gesicht ist das deutsche Wort ‚Person‘ geworden. Spätestens mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert veränderte sich die Vorstellung, was eine Person ist. Heute fragt man eher, wer eigentlich die Dame ist, die für die ‚Mona Lisa‘ Modell stand. Man spricht von ‚Person‘ und ‚Gesicht‘, aber die Bedeutung der Worte hat sich gewandelt. Heute ist die Identität einer Person klar und eindeutig gekennzeichnet. Der moderne Personalausweis zeigt: das Identitätsmerkmal einer Person ist ihr Gesicht. Das isometrische Foto – zusammen mit Geburtsdatum, Geburtsort und Fingerabdruck – identifizieren eine Person. Wesentliche persönliche Merkmale gehen aber weit darüber hinaus. Wer die Person eigentlich ist, klingt nicht mehr hindurch. So gesehen kann die moderne Vorstellung von Person zu einem Missverständnis der Dreieinigkeit Gottes führen, als wäre Gott drei Personen nebeneinander.

 

Im Glaubensbekenntnis aber ist die Vorstellung von der Person Jesu so gemeint, wie ihn die ersten Christen verstanden haben: in dem Sohn Jesus wird sichtbar, wer Gott der Vater ist. Jesus ist das Gesicht Gottes. In Jesus klingt die Liebe Gottes zum Menschen hindurch. In Jesu Liebe erst bekommen Menschen eine Ahnung von der Güte Gottes.

 

Und der Heilige Geist hilft von Gott zu sprechen und zu Gott zu sprechen, wie Jesus gebetet hat: Abba – lieber Vater. Das befreit aus eigener Selbstverliebtheit und sagt auch: Die Schönheit eines Gesichts entsteht dort, wo es in den Anderen eine Ahnung von Barmherzigkeit, Liebe und Güte Gottes hervorruft.

 

An diesen Gott glauben Christen. Christus ist sein Gesicht und der Heilige Geist seine Kraft. Menschen dürfen mit Jesus ‚Du‘ zu Gott sagen und umgekehrt sagt Gott ‚Du‘ zu jedem einzelnen Menschen: ‚Du bist mein lieber Sohn, du bist meine liebe Tochter‘.

 

Die Lehre der Dreieinigkeit Gottes bewahrt davor, Gott auf eine eindimensionale Idee zu reduzieren. Der Apostel Paulus fasst das so zusammen (Eph. 3,19):

 

Wenn ihr in Jesus die Liebe Gottes erkennt, die alle Erkenntnis übertrifft, wird euch die ganze Fülle Gottes ausfüllen.