Wort zum Tage
Wort zum Tage 09. 01.
09.01.2016 05:23

Religion ist Privatsache, hört und liest man immer wieder, besonders dann, wenn kirchliche Funktionsträger sich zu politischen Entscheidungen und Entwicklungen äußern. Gemeint ist damit, die Christen sollten lieber unter sich bleiben und in der Öffentlichkeit den Mund halten. Ihre religiöse Überzeugung sei zwar in Ehren zu halten, habe aber in der politischen Diskussion nichts zu suchen. Nun ist allerdings richtig, dass die Meinung, Religion sei Privatsache, für Christen und Angehörige aller anderen Religionen etwas Befreiendes hat. Sie ist eine der Grundlagen für die Religionsfreiheit, die in unseren westlichen Demokratien herrscht. Diese ermöglicht die Existenz von verschiedenen Kirchen, Synagogen, Moscheen und anderen heiligen Stätten in ein und derselben Ortschaft. Niemand kann uns vorschreiben, was wir glauben sollen. Das war durchaus nicht immer so; schon geringe Abweichungen von den offiziellen religiösen Vorstellungen konnte zu Verfolgung, Folter und Feuertod führen. Friedrich der Große hat hier Vorbildliches geleistet, indem er verfügte, in seinem Land könne jeder nach eigenen Façon selig werden. Mit Façon ist hier Konfession gemeint. Das hat sehr dazu beigetragen dass in unserem Kulturkreis Gewissensfreiheit und Laizismus herrschen. Staat und Religion sind getrennt; und der Staat mit seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung hat sich in die Entscheidungen der Religionsgemeinschaft nicht einzumischen, solange die Verfassung nicht berührt wird. Man sollte erwarten dürfen, dass sich im Gegenzug die religiösen Führer nicht in staatliche Belange einmischen. Das aber widerspricht dem öffentlichen Charakter des christlichen Glaubens. Es geht in ihm nicht nur um das private Heil der Seele, sondern auch um Frieden und Gerechtigkeit und darum, dass alle Menschen denselben Wert und dasselbe Lebensrecht haben. Das sind nunmal öffentliche Belange, die in den Innenräumen der Religionsgemeinschaften nicht zu lösen sind. Auch die Bibel ermuntert dazu, sich dort einzumischen, wo diese Grundvoraussetzungen beschädigt werden. Es mag manchem Politiker unangenehm sein, in den kirchlichen Vertretern unliebsamen Kritikern zu begegnen. Es mag im Interesse der Mächtigen sein, eine Stimme, die ihr Handeln hinterfragt, auf den Innenraum des Privaten zu verweisen. Doch ist es eine Aufgabe der Kirche, im Namen Gottes bei denen zu stehen, die unter den politischen Umständen leiden. Da ist die Kirche verpflichtet, den Raum des Privaten zu verlassen und ihre Stimme mahnend und warnend in der Öffentlichkeit zu erheben.