Geistliche Sumpfblumen
von Pfarrerin Silke Niemeyer
24.07.2024 06:20
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"Wer sich für die AfD einsetzt, muss gehen." Vor ein paar Wochen hat der Präsident der Diakonie Rüdiger Schuch ohne Wenn-und-Aber-Verzierungen gesagt, was in Zukunft Sache sein soll. Die Diakonie wird es nicht dulden, wenn Mitarbeitende völkische oder sonstwie menschenfeindliche Töne spucken. Warum? Weil die Diakonie die Sicherheit geben will: Bei uns fallt ihr nicht Leuten in die Hände, die die Menschen in solche erster und solche zweiter Klasse einteilen, die ihre Nächsten "entsorgen" (1) oder "zurückprügeln" (2) wollen oder mit Naziparolen flirten. Es sind ja die Schwächeren in der Gesellschaft, die in diakonischen Einrichtungen Hilfe suchen.

Kaum hatte der Diakoniechef das gesagt, entdeckten viele ihre Begeisterung für die christliche Barmherzigkeit. Jetzt nicht für die Kranken, Geflüchteten, Behinderten in den diakonischen Einrichtungen, sondern für AfD-Aktivisten, die dort arbeiten. "Andere zu Unberührbaren zu erklären, widerspricht der christlichen Nächstenliebe" empörte sich ein namhafter Kolumnist. (3) Er hatte die Bibel studiert und gefunden, dass Jesus beim Sünder Zachäus, dem Oberschurken, eingekehrt und ihm vergibt. Leider hatte er überlesen, dass dieser Zachäus was er angerichtet hat, bereut und vierfach wiedergutmacht. Weiter dozierte der Kolumnist, Jesus würde sich heute eher von der AfD-Frontfrau Alice Weidel die Füße waschen lassen als von Diakoniepräsident Rüdiger Schuch. Mag sein. Entscheidend wäre allerdings, dass Alice Weidel bereit ist, vor einem orientalischen Wanderprediger zu knien und ihm die Schuhe auszuziehen. Aber Spaß beiseite.

Vergebung ist eine wunderbare Pflanze, aber sie ist keine Sumpfblume. Ihr Lebensraum ist nicht jener geistliche Morast, der den Unterschied zwischen Tätern und Opfern aufweicht. Mit geistlichem Morast meine ich dies: man sorgt sich wenig darum, die Schwächeren davor zu schützen, dass sie gedemütigt, verletzt und abgewertet werden; man sorgt sich aber sehr darum, diejenigen zu schützen, die demütigen, verletzen und abwerten. Das ist weder Gnade noch Barmherzigkeit. Das ist Verlogenheit und Bequemlichkeit.

Vor der Vergebung kommt die contritio cordis, das heißt übersetzt: die Zerknirschung des Herzens. Man könnte auch sagen: die aufrichtige Reue und dann die Änderung des Verhaltens. Ich bin sicher: Niemand, der gemein gehandelt hat und etwas contritio cordis zeigt, wird von der Diakonie rausgeschmissen.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literaturangaben:

  1. https://www.zeit.de/news/2017-08/28/wahlen-gauland-oezoguz-in-anatolien-entsorgen-28114602
  2. https://jugendstrategie.de/hasserfuellte-und-menschenverachtende-zitate-der-afd/
  3. https://www.welt.de/politik/deutschland/plus251332966/Neben-der-Spur-Andere-zu-Unberuehrbaren-zu-erklaeren-widerspricht-der-christlichen-Naechstenliebe.html

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