Kraft Gottes. Da kann man an Großes denken: ein Meer, das sich teilt oder auf dem Wasser gehen. Unsere Autorin hat viel kleiner gespürt. Klein, aber wirksam.
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"Ich glaube an Gott, den Allmächtigen". Was bin ich froh, diesen Satz sagen zu können als Ausdruck meines Glaubens: "Ich glaube an Gott, den Allmächtigen". Denn ich habe sie so satt, die Kraftprotze, die sich gegenwärtig wie allmächtige Götter aufspielen. Die mit Menschenschicksalen spielen wie mit Jetons am Roulettetisch. Die das Recht verscherbeln. Deren größte Lust die blanke Macht ist. Sie glauben, Macht sei, alles zu können und zu machen, was man will. Das ist keine Macht. Das ist Wahn! Ich glaube an eine andere "Allmacht", auch wenn das paradox klingt. Mein Gott macht nicht alles, was er kann. Weil er liebt. Wer liebt, kann nicht alles machen. Und das ist wirklich stark. Das ist Macht über die Macht. Mein Gott macht sich wehrlos wie ein schreiendes Kind. Und ist genauso unbezwingbar wie ein schreiendes Kind.
"Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Gotteskraft."
Das ist so ein weiterer unverdrossener und trotziger Satz. Er stammt aus der Feder des Apostels Paulus. Und heute ist sein Satz mein Satz. Er ist mein Trotz und mein Trost.
Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Gotteskraft. Ich bin stolz, mich Christin nennen zu dürfen und eine Schwester des Jesus von Nazareth. Ich bin glücklich, dass ich nicht mit allen Wassern gewaschen sein muss, weil ich ja mit dem Taufwasser übergossen bin. Es ist in diesen rohen, gewaltlustigen Tagen das Beste überhaupt, dass ich zu einem gehören darf, der sagt "Selig sind die Barmherzigen. Selig sind die Sanftmütigen. Selig sind, die Frieden stiften." Und nicht: "Nur die Harten kommen in den Garten." Gottes Garten hat die Tore geöffnet für "die Zarten und die mit dünner Haut" (EG 678, 2). Wie könnte ich mich schämen für so viel Menschlichkeit?
Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Gotteskraft. "Die Armen werden das Evangelium verkünden", steht da und nicht "Wer Geld hat, hat das große Wort. "Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und nimmt doch Schaden an seiner Seele?" Das steht im Evangelium und nicht "Gewinnen um jeden Preis". "Ihr werdet auferstehen", steht da und nicht "Tot ist tot."
Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Gotteskraft. Ich bin froh, beten und "Du" sagen zu können, wo alles schreit "Ich! Ich! Ich!" Ich bin froh, bitten zu können, wo die Illusion herrscht, alles allein und ohne Hilfe zu schaffen. Ich bin froh, in eine Kirche gehen zu können, dort zu hören, zu besingen und zu erflehen, was nicht von dieser Welt ist. Nicht das Kleinklein, nein, das wirklich ganz Große, das ich sonst nicht zu denken wage: Ein neuer Himmel und eine neue Erde. Das tägliche Brot für alle. Der Friede, der höher ist als alle menschliche Vernunft. Ich will nicht leben ohne das "Gott segne dich und behüte dich."
"Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Gotteskraft." Lieber Paulus, wenn du mich jetzt hörst: Ich bewundere dich dafür, dass du dich damals getraut hast, diesen unverschämten Satz zu schreiben. Nach Rom. Ausgerechnet! Ins Weltzentrum, wo die Spitzel des Gottkaisers nur darauf warten, deinen Brief zu lesen. Das ist dir ja ganz klar gewesen. Aber du bist fest überzeugt, und das hat dir Mut gegeben: Gottes Kraft ist nicht für die Kraftmeier da. Gottes Kraft ist für die Schwachen da, in ihnen wird sie mächtig.
So ist es, Paulus. Und so habe ich es kürzlich selbst erlebt. Ich warte im Vorraum des OP-Saals auf die Operation. Zwischen den harten Fliesen und den sterilen Armaturen, zwischen Technik und Hygienehinweistafeln entdecke ich: ein Kreuz an der Wand. Ein Wärmestrom fließt in mir. Zuversicht kommt über mich. Ich kann sie jetzt noch spüren, wenn ich dran denke.
Nein, ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Gotteskraft.
Es gilt das gesprochene Wort.
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