Glänzen!
von Pfarrerin Silke Niemeyer
26.07.2024 06:20
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Sie hat lange im Kleiderschrank gewühlt. Sie will sich schön machen. Richtig schön! Deshalb muss es das schönste Shirt sein, der schönste Pulli, die schönsten Strümpfe, die schönste Hose und darüber noch der schönste Rock. Ein verwegener Look. Aber sie lässt sich von keinem reinreden. Und erst recht nicht zieht die Bemerkung, sie habe die Schuhe falsch herum angezogen. Mit ihren drei Jahren ist sie bemerkenswert unbeirrt in ihrem Geschmack. Und heute hat Papa Geburtstag. Heute will, heute muss sie unbedingt glänzen. Das ist der Punkt. Und als ich das verstehe, ist sie für mich in diesem Augenblick das schönste Mädchen der Welt. Die kleine Morgenschönheit, die da zu dick aufgetragen hat, entzückt mich.

Steckt nicht in allen der Wunsch zu glänzen? Will doch jeder, oder nicht? Die mit dem dick aufgetragenen Make-Up oder den großen Klunkern, die mit dem fetten SUV oder dem protzigen Haus, die mit den aufgespritzten Lippen oder den angeschwollenen Muskeln. Nicht zu vergessen die mit dem aufgeblasenen Intellekt und dem angeberischen Understatement, das kann man ja auch dick auftragen. Nicht jeder kann sich eine zerrissene Armani-Hose leisten. Bei manchen reicht’s nur für die Glitzerbluse vom Grabbeltisch. Aber jeder Mensch möchte auf seine Weise und mit seinen üppigen oder kärglichen Mitteln glänzen. Und je glanzloser das Leben, desto mehr vielleicht.

Da ist zum Beispiel der Auftritt dieser unbekannten Frau. (Markus 14, 3-9) Sie hat einen kostbaren Flacon aus Alabaster, darin sündhaft teures Duftöl. Sie rauscht in die Abendgesellschaft, sie zerbricht dramatisch das wertvolle Gefäß. Und dann gießt sie das ganze Parfüm auf einmal über Jesus aus. Na da ist was los. "Man hätte es für dreihundert Silbertaler verkaufen und das Geld den Armen geben können.", regen sich die Anwesenden auf. Ich höre mich mit ihnen schimpfen.

"Lasst sie in Frieden", sagt Jesus, "warum triezt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan." Er lässt sich gefallen, was man auch als Verschwendung, Vergeudung, Übertreibung, Anmaßung und Angeberei bezeichnen könnte. Vielleicht gelingt mir solche Großzügigkeit auch, nicht immer, aber öfter mal: den schönen Wunsch und das gute Werk in den Auftritten derer zu erblicken, die glänzen möchten

Es gilt das gesprochene Wort.

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