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Der Weiße Garten
Weiße Blüten für Sternenkinder
17.09.2025 06:20

"Born sleeping" nennt man in England Fehl- und Totgeburten. Früher wurden sie oft sofort entsorgt. Heute gehen viele behutsamer mit der Trauer um Sternenkinder um. In Folkestone erinnert ein besonderer Garten an sie.

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Weiße Hortensien, weiße Geranien, weiße Rosen und Ox-eye Daisy, die ochsenäugige Daisy, auf Deutsch Wiesenmargeriten. Weiße Blüten, wohin ich schaue. Ich sitze auf einer Bank im "Weißen Garten". Er gehört zum Friedhof von Folkestone in Südengland.

Eine Tafel am Eingang zum Weißen Garten erzählt seine Geschichte. Er wurde vor drei Jahren gepflanzt und erinnert an "born sleeping babies", an schlafend geborene Babys. Medizinisch spricht man von Abort, Fehlgeburt und Totgeburt. Einige Eltern nennen ihr tot geborenes Baby "Sternenkind". Es war da. Es hat einige Wochen, einige Monate im Bauch der Mutter gelebt. Seine Eltern waren Eltern auch schon in der Schwangerschaft. Sie haben sich mit dem Gedanken vertraut gemacht: Bald werden sie ihr Kind in den Armen halten. Aber es kam, um zu gehen. Es ist gleich wieder zu den Sternen geflogen. Sternenkind.

Meine Mutter hatte zwei Fehlgeburten. Meine Eltern dachten schon, sie könnten keine Kinder bekommen. Der Arzt hat zu ihnen gesagt: "Machen Sie sich keine Sorgen! Ich kenne viele Paare, die erst Fehlgeburten hatten und dann viele Kinder bekommen haben." So kam es glücklicherweise dann auch: Wir sind vier Geschwister. Trotzdem hat es mich als Kind beschäftigt, als meine Eltern uns erzählt haben: Wir hätten eigentlich noch zwei Geschwister. Wer waren sie?, habe ich mich gefragt. Sie wären drei, vier Jahre älter als ich. Wie sähen sie aus? Hätte ich mich mit ihnen verstanden?

Die Tafel im Weißen Garten auf dem Friedhof in Folkestone erzählt: Früher wurden die still geborenen Babys manchmal gleich weggenommen, bevor die Mutter und der Vater ihr Kind im Arm halten und sich verabschieden konnten. Heute weiß man, wie wichtig es ist, zu trauern.

Trauer hat mit Begreifen zu tun. Berühren und anfassen, dem still geborenen Kind Zeichen der Liebe mitgeben, auch wenn es nur ganz kurz gelebt hat. Voller Empathie wahrnehmen, dass da ein kleiner Mensch unterwegs war, dass seine Eltern Eltern waren.

Früher wurden in Deutschland Fehl- und Totgeburten entsorgt. Furchtbar. Inzwischen haben Eltern ein Bestattungsrecht, egal wann in der Schwangerschaft ihr Kind gestorben ist, egal wie leicht oder schwer ihr Kind war. Klinikseelsorger und Pfarrerinnen gestalten mit den Eltern Trauerfeiern für ihre Sternenkinder.

Und es gibt Orte wie den Weißen Garten, den Ehrenamtliche für trauernde Eltern angelegt haben. Ein Erinnerungsgarten für alle, die eine Weile auf der Bank sitzen wollen mit ihren Gedanken und Gefühlen.

Weiße Hortensien, weiße Geranien, weiße Rosen und Ox-eye Daisy, Wiesenmargeriten für die, die da waren, unser Leben für immer berührt haben, auch wenn es nur kurz war.

Es gilt das gesprochene Wort.

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